In die Jahre gekommen: Bundeswehrsoldaten sollen neue Ausgeh-Uniformen bekommen. Die Kosten – 825 Millionen Euro, gestreckt bis 2032 – sorgen für Kritik. © Bernd Von Jutrczenka/dpa
München – Er hat es wieder gesagt. Boris Pistorius, verhinderter Kanzlerkandidat vieler SPD-Herzen, hat am Samstag bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung angemahnt, Deutschland müsse mehr und temporeicher in seine „Kriegstüchtigkeit“ investieren. Das Wort war dem Verteidigungsminister schon mal um die Ohren geflogen, aber er steht dazu. Inhaltlich kann man ihm auch nur schwer widersprechen: Die Bundeswehr braucht mehr Geld.
Angesichts dessen wirkt besonders schräg, wofür vorhandene Mittel mitunter ausgegeben werden. Ein aktuelles Beispiel sorgt für Irritationen: Pistorius‘ Ministerium plant die Anschaffung neuer Ausgeh-Uniformen, die die Soldaten bei offiziellen Anlässen tragen. Eingeplant sind 825 Millionen Euro, der Antrag ging am Donnerstag im Haushaltsausschuss ein. Zuerst hatte die „BamS“ berichtet.
Der Plan ist nicht neu, sondern stammt aus der Zeit vor dem russischen Überfall auf die Ukraine. Wegen des Krieges wurde die Anschaffung zurückgestellt, ein Teil der Summe (306 Millionen Euro) ist aber schon vertraglich gebunden. Der Haushaltsausschuss soll nun das fehlende Geld freigeben. Das sorgt für Kritik.
„Ich habe mich schon sehr gewundert, dass das Ministerium die Anschaffung solcher Ausgeh-Uniformen ausgerechnet jetzt priorisiert“, sagte der Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer unserer Zeitung. Die Regierung steht ohne eigene Mehrheit da, muss also bei jedem Projekt um Unterstützer im Parlament werben. Der Druck ist groß. Umso wichtiger sei es, betont Schäfer, „dass wir uns jetzt auf die wichtigen Dinge konzentrieren“.
Zuvor hatte der CDU-Haushaltsexperten Ingo Gädechens der Bundesregierung eine „absurde Prioritätensetzung“ vorgeworfen. Die Uniformen würden die Bundeswehr „kein Stück kriegstüchtiger machen“, sagte er der „BamS“. Die „unfassbar große Summe“ werfe „viele Fragen auf“.
Tatsächlich gäbe es viele Bereiche, in denen das Geld zum jetzigen Zeitpunkt Verwendung finden könnte. Zwar erreichte Deutschland 2024 das ersehnte Zwei-Prozent-Ziel der Nato bei den Verteidigungsausgaben – die Bundeswehr ist aber weiter unterfinanziert: Statt der 58 Milliarden Euro, die Pistorius gefordert hatte, stehen für 2025 nur 53,3 Milliarden Euro bereit, wobei die Betriebskosten einen Großteil davon auffressen. Die Beschaffung neuen militärischen Geräts wird vor allem aus dem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen gezahlt.
Doch das ist endlich. Die Mittel daraus sind verplant, Anschaffungen laufen, aber sie reichen nicht, um „kriegstüchtig“ zu werden. Eine Auswertung der „Zeit“ vom Juni zeigt, dass zwar in allen Bereichen (Land, Luft, Wasser) neues Gerät bestellt wurde, aber teils deutlich zu wenig, um die Landesverteidigung dauerhaft zu stärken. So soll die Luftwaffe bis Ende des Jahrzehnts 35 hochmoderne F-35-Mehrzweckkampfjets bekommen, nötig wären aber doppelt so viele. Das Problem wird umso größer, wenn das Sondervermögen 2027 ausläuft und alles aus dem regulären Etat bezahlt werden muss.
Das zeigt: Jeder Euro zählt. Dennoch stimmen nicht alle in den Chor der Kritik ein. „Es hat etwas mit Respekt zu tun, den Soldatinnen und Soldaten auch die richtige Kleidung zur Verfügung zu stellen“, sagte die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann unserer Zeitung. Um Irritationen zu beseitigen, müsse das Ministerium jetzt „genau aufschlüsseln, für welche Art der Bekleidung und in welcher Höhe das Geld genau benötigt wird“.
Der vorgesehene Vertrag umfasst auch Kampfkleidung, die 825 Millionen Euro sind aber dem Vernehmen nach nur für Ausgeh-Uniformen eingeplant. Das Ministerium erklärte auf Anfrage, es gehe darum, die „im Innendienst“ getragene Kleidung „an den aktuellen Stand anzupassen“. Die Umsetzung sei bis 2032 geplant. Bis dahin soll es 203 000 Bundeswehrsoldaten geben, pro Kopf wären das 4000 Euro.
SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz deutete aber ein Einlenken an. Es gebe „Beschaffungen, die eine wesentlich höhere Priorität haben“, sagte er der „FAZ“. „Die politischen Signale, die mich gerade erreichen, deuten auf eine Verschiebung der Entscheidung in die nächste Legislatur hin.“