Berlin – Angela Merkel rechtfertigt ihre umstrittene Migrationspolitik. In ihrer Autobiografie, die heute offiziell vorgestellt wird, räumt die frühere Bundeskanzlerin keine schwerwiegenden Fehler ein. Merkels Bilanz zur Flüchtlingspolitik enthält stattdessen eine Mahnung: Europa müsse seine Außengrenzen schützen. „Zugleich jedoch sollten Deutschland und Europa nie in Versuchung geraten anzunehmen, sie könnten sich mit noch so drastischen Maßnahmen unattraktiv für Menschen aus anderen Regionen unserer Erde machen. Das wird nicht gelingen.“ Der Wohlstand und die Rechtsstaatlichkeit würden Deutschland und Europa immer zu „Sehnsuchtszielen“ machen. Nötig seien immer auch Kontingente für legale Migration.
Merkel warnt davor, das Thema Migration zu hoch zu hängen. Wenn die demokratischen Parteien annähmen, sie könnten die AfD kleinhalten, „indem sie unentwegt über deren Themen sprechen und sie diese dabei am besten auch noch rhetorisch übertrumpfen wollen, ohne tatsächliche Lösungen für bestehende Probleme anzubieten, dann werden sie scheitern“. Es brauche Lösungen über parteipolitische Grenzen hinweg, „nicht als taktische Manöver, sondern in der Sache redlich und im Ton maßvoll“. „Die übergroße Mehrheit der Menschen hat ein untrügliches Gespür dafür, ob Politiker aus reinem Kalkül handeln, ob sie sich sogar von der AfD gleichsam am Nasenring durch die Manege führen lassen, oder ob sie handeln, weil sie aufrichtig daran interessiert sind, Probleme zu lösen“, schreibt Merkel.
Über die Wirkung ihres Satzes „Wir schaffen das“ staunt die CDU-Politikerin bis heute. „Hätte mir damals jemand gesagt, dass diese drei banalen Worte mir später wochenlang, monatelang, jahrelang von einigen bis heute vorgehalten würden, hätte ich ungläubig geguckt und gefragt: Wie bitte?“ Auch die Wirkung eines Selfies mit einem syrischen Flüchtling sah Merkel nicht voraus. „Ich hatte in dem Moment nicht die geringste Vorstellung davon, welche Wellen dieses Bild und weitere Selfies schlagen würden, die ich an dem Tag zuließ, sondern dachte: Warum nicht?“
JÖRG BLANK