Kontinent im Kippen-Kampf

von Redaktion

Gesundheitsschädliche Pause: Geht es nach der EU-Kommission, soll das Rauchen künftig an noch deutlich weniger Orten erlaubt sein, als es bisher der Fall ist. © dpa

München – 15 Jahre ist es her, dass Sebastian Frankenberger Bayern und seine Wirtshäuser veränderte. Der frühere ÖDP-Politiker war das Gesicht des Volksbegehrens, das damals nicht nur die Gastronomie auf die Barrikaden brachte. In bayerischen Lokalen darf man seither nicht mehr zur Zigarette greifen. Was heute schon fast selbstverständlich wirkt, war damals eine Revolution – und gefiel vielen nicht. Frankenberger erhielt sogar Morddrohungen, er lebt inzwischen in Österreich.

Doch gegen das, was die EU-Kommission heute gerne umsetzen würde, war Frankenbergers Revolution – aus Rauchersicht – vergleichsweise harmlos. Biergärten, Weihnachtsmärkte, Freibäder, Freizeitparks, vor öffentlichen Gebäuden und vor Krankenhäusern – das Rauchen soll fast gänzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden, regt die Behörde von Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides an. Nicht nur klassische Zigaretten wären betroffen, auch für E-Zigaretten und Produkte mit erhitztem Tabak würde die Verschärfung gelten.

Hintergrund ist der Gesundheitsschutz. Mehr als ein Viertel aller Krebserkrankungen sei auf Tabakkonsum zurückzuführen, wird die Weltgesundheitsorganiation WHO in dem Papier zitiert. Die EU-Kommission hat sich eine „tabakfreie Generation“ zum Ziel gesetzt. Heißt: Bis 2040 sollen weniger als fünf Prozent der EU-Bürger rauchen oder auf andere Weise Tabak konsumieren, um so auch die Gesundheitsschäden – neben Krebs drohen auch Lungen- und Herzkrankheiten – durch Passivrauchen so weit wie möglich zu reduzieren.

Doch so wuchtig der Aufschlag aus dem September auf den ersten Blick erscheint, so schnell schrumpft er in sich zusammen, wenn man genauer hinsieht. Denn: Die EU kann zwar Vorschläge machen, viel weiter geht ihr Machtbereich auf diesem Feld allerdings nicht. Gesundheitspolitische Entscheidungen liegen allein in der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten. In Deutschland ist der Nichtraucherschutz sogar noch eine Ebene weiter verästelt – wo genau gequalmt werden darf und wo nicht, entscheiden die Bundesländer für sich selbst. Die EU-Kommission ist dann weit weg. Wenn das europäische Parlament in Straßburg am Donnerstag um 12 Uhr über den Vorstoß abstimmt, geht es also um nicht viel mehr als eine Meinungsbekundung ohne rechtliche Konsequenzen für die einzelnen Staaten. Allenfalls über Fördermittel könnte Brüssel versuchen, den Anreiz zur Umsetzung zu erhöhen.

Die Vorsitzende der CSU-Europagruppe, Angelika Niebler, hält den Vorschlag auch deshalb für falsch. „Diesen Versuch, Verbotspolitik durch die Brüsseler Hintertür einzuschleusen, lehnen wir entschieden ab“, sagt sie unserer Zeitung. Gerade weil die EU im Bereich der Rauchverbote keine Zuständigkeit besitzt, sei der Vorstoß „vollkommen unpassend“. Es müsse „gerade in Zeiten wie diesen“ um „unsere Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und die geopolitische Weltlage“ gehen, sagt Niebler – „nicht um bevormundende Detail-Regulierung“.

In einem Ex-EU-Land gehen die Pläne hingegen schon weiter. Vor drei Wochen hat Großbritanniens Regierung den Entwurf für sein Tabak- und E-Zigaretten-Gesetz ins Parlament eingebracht, gestern nahm er dort eine erste Hürde mit breiter Mehrheit. Das Mindestalter für den Kauf soll von derzeit 18 Jahren schrittweise angehoben werden. Das Ziel: Alle, die nach dem 1. Januar 2009 geboren sind, sollen auch als Erwachsene nie legal Zigaretten kaufen können – und so ihr Leben lang Nichtraucher sein. Der Gesetzentwurf sieht auch Rauchverbote auf Spielplätzen und vor Krankenhäusern vor. In den Außenbereichen von Pubs und Restaurants sei kein Verbot geplant, beteuert die Regierung.

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