Allianz gegen Putin: Ist Tusk nun Selenskyjs starker Mann in Europa? © pa
München – Nach der US-Wahl war nicht mal eine ganze Woche vergangen, da schmiedete Polens Regierungschef bereits eine neue Allianz: Sie soll Europa, vor allem aber die Ukraine, auf eine Trump-Präsidentschaft vorbereiten. Donald Tusk kündigte nach dem Wahlsieg des Republikaners an, sich bald mit seinen Kollegen aus Paris, London und den baltischen Staaten treffen zu wollen, um über die Sicherheit Europas zu beraten. Auch Nato-Chef Mark Rutte sollte dabei sein. Geplant war eine Initiative der verlässlichsten Ukraine-Unterstützer. Und Deutschland zählt Tusk offenbar nicht dazu.
Das Verhältnis zwischen Berlin und Warschau ist abgekühlt. Scholz‘ Telefonat mit Wladimir Putin erntete kürzlich scharfe Kritik von Donald Tusk, doch zwischen den beiden kriselt es schon länger. Zu dieser Entwicklung passt auch ein offener Brief, der seit einigen Tagen in Europa kursiert: Darin wird eine „Koalition der Willigen“ unter Tusks Führung gefordert. Polen solle sich demnach mit den baltischen und skandinavischen Staaten, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Kanada zusammenschließen, um Hilfen für die Ukraine massiv aufzustocken – unabhängig davon, was die USA entscheiden. Deutschland wird wieder mit keinem Wort erwähnt.
79 Unterstützer haben den Brief inzwischen unterzeichnet. Dazu gehören klassische Putin-Gegner wie Schachweltmeister Garry Kasparov, aber auch der frühere estnische Präsident Toomas Hendrik Ilves und Ex-US-General Ben Hodges. Aus Deutschland hat Militärexperte Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr München unterschrieben. „Wir brauchen eine Rückfalloption für den Fall, dass die USA ihre Waffenlieferungen an die Ukraine einstellen“, erklärt er gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Dabei gehe es um eine „Koalition der Willigen, die im Zweifel auch bereit ist, Bodentruppen in die Ukraine zu entsenden“.
Das ist nur einer von vielen Punkten, die in dem Schreiben gefordert werden. Die Unterstützer fordern, dass die Ukraine selbst entscheidet, mit welchen Waffen sie welche Ziele angreift und wollen ihr dafür auch alle eingefrorenen russischen Vermögenswerte (300 Milliarden Dollar) zur Verfügung stellen. Außerdem sollen auch die Partnerländer russische Raketen und Drohnen mit eigenen Luftabwehrsystemen abfangen und jährlich mindestens drei Prozent ihres BIP in ihre Verteidigung investieren.
Es sei gerade „viel in Bewegung, in Frankreich, Großbritannien und Polen“, sagt Masala. Und: „Deutschland ist bei den meisten Entwicklungen außen vor.“ Verteidigungsminister Boris Pistorius verfolge aber „offenbar das Ziel, Deutschland wieder ins Spiel zu bringen“. Der SPD-Politiker hatte sich noch am Montag in Berlin mit seinen Kollegen aus Frankreich, Großbritannien und Polen getroffen. Es ging um mehr Hilfe für die ukrainische Rüstungsindustrie. Doch solange der Kanzler an seinem Taurus-Nein festhält, bleibt Berlin wohl ein Außenseiter in dieser Gruppe.
KATHRIN BRAUN