Auf eine gute Nachricht hat der Nahe Osten, ja die ganze Welt, lange warten müssen. Seit gestern gibt es sie: Für 60 Tage sollen zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah die Waffen schweigen. Ein bisschen Frieden im Heiligen Land. Dass es davor noch einen letzten blutigen Gewaltexzess beider Seiten brauchte, zeigt die Zerbrechlichkeit der unter US-Regie vermittelten Waffenruhe. Doch hatte der mit brutaler Härte geführte Krieg zuletzt alle Beteiligten an den Rand der völligen Erschöpfung gebracht, so dass ihnen ein vorläufiges Ende des Kriegs vorteilhafter erschien als dessen Fortsetzung: Die einst allmächtige Hisbollah sah sich mit der Gefahr ihrer totalen Vernichtung konfrontiert, Israel mit dem Risiko der Ächtung durch eine zunehmend empörte Weltgemeinschaft.
US-Präsident Biden beendet seine Präsidentschaft mit einem wichtigen Erfolg. Allerdings warf auch hier die Trump-Präsidentschaft bereits ihre Schatten voraus: Der iranische Gottesstaat fürchtete, als Pate der Hisbollah bei einer Fortsetzung des Gemetzels bald selbst ins israelisch-amerikanische Fadenkreuz zu geraten, schließlich gilt Trump als enger Freund Netanjahus, der dessen harten Kurs kompromisslos mitträgt. So wie die Hisbollah den Krieg nicht ohne Hilfe des Iran fortsetzen konnte, dürfte auch die Hamas ohne die Raketen der Hisbollah ihren Widerstand nicht mehr lange aufrecht erhalten können. So lautet das Kalkül in Jerusalem. Der Zweifrontenkrieg ist vorbei. Die Lehre daraus: Kriege gewinnt man aus einer Position der Stärke. Das sollten auch jene zur Kenntnis nehmen, die in der Ukraine vor Putin kuschen wollen, allen voran Sahra Wagenknecht und die AfD.
Netanjahu, der vielen Israelis als Versager gilt, weil er das Hamas-Massaker des 7. Oktober 2023 nicht verhinderte, hat den Frieden mit dem Blut Zehntausender Opfer, schuldiger wie unschuldiger, herbeigebombt. Manchen gilt er deshalb als Kriegsverbrecher. Doch hat er, was manche im Westen nicht sehen wollen, seinem von Auslöschung bedrohten Land mit diesem Blutzoll vielleicht eine Generation lang relative Sicherheit vor Israels Todfeinden erkauft. Das macht ihn noch nicht zu einem Großen. Der würde er erst, wenn er die Chance nutzen würde, den Palästinensern die Hand zu reichen und das Siedler-Unrecht in der Westbank zu beenden. So oder so: Die Mörder des 7. Oktober und ihre Freunde dürften ihren Jubel von damals bitter bereuen. Ihr Plan, die eigenen Leute als lebende Schutzschilde zu missbrauchen, den Krieg zu internationalisieren und Israel so in den Abgrund zu ziehen, ist mit dem Kriegsaustritt der Hisbollah vorerst gescheitert.
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