Wankende Riesen: Ein VW Tiguan (oben) und ein ID.7 (unten) werden in einem der beiden Autotürme der Volkswagen Autostadt aus Boxen gehoben. © Moritz Frankenberg/dpa
München – Es bröckelt in der einst so stolzen deutschen Autoindustrie. Mercedes schwächelt, VW will ganze Werke schließen. Ford plant, fast 3000 Stellen abzubauen. Auch die Zulieferer trifft es hart. Neben dem Abbau tausender Stellen setzt Bosch auf eine kürzere Wochenarbeitszeit für einen Teil der Beschäftigten – rund 10 000 Mitarbeiter sind betroffen, unter anderem in Holzkirchen. Schaeffler will 4700 Jobs streichen, Webasto etwa 1700, ZF sogar 14 000. Gerade wurde bekannt, dass auch der Autozulieferer Hirschvogel mit Sitz in Denklingen und Werk in Schongau 500 Stellen abbaut, den Großteil in der Region.
Der Freistaat bekommt die Krise direkt zu spüren. Schwache Auftragslage, schlechte Standortbedingungen und ein immer schwierigeres globales Umfeld heizten eine „fortschreitende Deindustrialisierung“ an, sagt Bertram Brossardt unserer Zeitung. „Investitionen an unseren Standorten finden kaum noch statt“, beklagt der Chef der bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeberverbände. „Insgesamt droht in Bayerns Metall- und Elektroindustrie der Verlust von Zehntausenden Stellen, viele davon im Bereich Automobil und Zulieferer“, sagt er. Es steht viel auf dem Spiel: Unmittelbar sind in Bayern gut 200 000 Menschen bei den Herstellern und ihren Lieferanten beschäftigt – 15 Prozent aller Industriebeschäftigten im Freistaat, so Brossardt.
In der Politik scheint man sich zunehmend darüber bewusst zu werden, was es für Deutschland und Europa bedeuten kann, wenn die Autoindustrie weiter an Boden verliert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den Kampf um das Überleben der Branche als „ein Stolz Europas“ zu einem der Schwerpunkte ihrer zweiten Amtszeit machen. „Wir werden alle Interessengruppen an einen Tisch bringen“, sagt sie am Mittwoch. In Berlin wollen Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mögliche milliardenschwere EU-Klimastrafen für Autobauer verhindern (Stichwort Flottengrenzwerte). Und in München veranstaltet Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montag Bayerns eigenen Auto-Gipfel, bei dem neben Audi, BMW und MAN sowie den Verbänden auch die Arbeitnehmervertreter, Gewerkschaften und wohl gleich drei Minister dabei sein werden.
Bei manchen weckt der geplante Gipfel allerdings Skepsis: „Im Moment macht fast jeder einen Autogipfel – jetzt halt auch Söder“, heißt es bei einem der Unternehmen, das am Montag in München dabei sein wird. Es fordert: „Das darf keine Show-Veranstaltung werden.“ Bei anderen überwiegt hingegen die Hoffnung, dass sich endlich etwas bewegt in Sachen Bürokratieabbau und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. „Statt medienwirksamen Ankündigungen brauchen wir bessere Rahmenbedingungen, echte Strukturreformen und überfällige Investitionen in die Infrastruktur, etwa in den Ladesäulenaufbau.“ Die Nutzfahrzeugbranche und insbesondere die Zulieferer erwarten zudem, dass nicht nur die Autoriesen, sondern auch sie in der Politik endlich Gehör finden.
Insgesamt erhoffe sich die Branche von der Politik mehr Planbarkeit und Verlässlichkeit, heißt es fast unisono. Die konkreten Forderungen und Wünsche, die sich davon ableiten, unterscheiden sich dann aber doch. Manche hinterfragen das Verbrenner-Aus und wollen die CO2-Flottenziele aufweichen. Andere, die vor allem in der E-Mobilität ihr Geschäft sehen, halten das dagegen für problematisch und fordern mehr Ladesäulen oder Kaufprämien für E-Autos.
Es steht also für die Politik auch viel Vermittlungsarbeit an. Das weiß Söder wohl, der die Erwartungen schonmal dämpft. Man werde Vorschläge entwickeln und alles daran setzen, Bayerns Unternehmen „kraftvoll zu begleiten“. Doch: „Wir werden als Freistaat nur dann Erfolg haben, wenn auch die Rahmenbedingungen im Bund und in Europa stimmen“, sagt er. „Deshalb werden wir am Montag klar benennen, welche Maßnahmen es auf nationaler und internationaler Ebene braucht.“