Generalkonsul der Ukraine: Yurii Nykytiuk. © Marcus Schlaf
Überreste eines Angriffs: Helfer beseitigen bei Kiew einen russischen Marschflugkörper. © AFP
München – Auf dem Schlachtfeld steht die Ukraine massiv unter Druck – aber der Wille der Menschen ist ungebrochen, sagt Yurii Nykytiuk. Der 53-Jährige ist seit Kurzem neuer Generalkonsul seines Landes in München. Ein Gespräch über Taurus, Trump und den Terror der Russen.
Herr Generalkonsul, Präsident Selenskyj glaubt, dass der Krieg 2025 zu Ende gehen kann. Teilen Sie seinen Optimismus?
Auf jeden Fall. Ungeachtet der momentanen Schwierigkeiten haben wir einen sehr starken Willen. Wir wollen die Bedingungen schaffen, um Putin zu Verhandlungen zu zwingen.
Verzeihen Sie, aber auf dem Schlachtfeld ist Russland klar im Vorteil…
Stimmt. Sie greifen an, sie haben mehr Soldaten. Aber vergessen Sie nicht: Den Russen geht es derzeit überhaupt nicht rosig. Der Rubel ist im freien Fall, die Aktien von Gazprom verlieren an Wert. Das hat einen Effekt. Wenn wir jetzt noch mehr von der Rüstungsindustrie bekommen, Waffen und Munition, dann kann der Krieg 2025 zu Ende sein.
Die Ukraine darf mit US-Raketen Ziele in Russland ansteuern – Berlin bleibt bei seinem Nein zu Taurus. Fühlt sich die Ukraine von uns im Stich gelassen?
Ich würde sagen: Jein. Deutschland hat einen riesigen Schritt gemacht von 5000 Helmen Anfang des Krieges bis zur Vorreiterrolle bei der Unterstützung meines Landes. Gleichzeitig wären die Taurus-Raketen gerade sehr wichtig. Sie sind der beste Weg, russische Nachschubwege zu zerstören, sodass die Russen nicht mehr angreifen können. Wir fühlen uns nicht im Stich gelassen, aber erhoffen uns mehr.
Selenskyj sagte, er könne sich vorstellen, dass die vom Kreml eroberten Gebiete zeitweise unter russischer Kontrolle bleiben…
Wir sind überhaupt nicht bereit, auf die Gebiete zu verzichten. Dass wir sie für einige Zeit nicht kontrollieren werden, könnte ich mir eher vorstellen. Aber nur, wenn es keine Chance mehr gibt, diesen Krieg zu gewinnen.
Im Westen spricht kaum noch jemand von einem Sieg. Auch der künftige US-Ukraine-Beauftragte Keith Kellogg will Kiew zu Zugeständnissen drängen…
Ich habe bisher noch keine offiziellen Ideen von General Kellogg zur Beendigung des Krieges gesehen. Insofern lohnt es nicht zu spekulieren.
Es gibt die Sorge, dass Bundeskanzler Olaf Scholz die Angst vor Russland im Wahlkampf nutzt, um sich selbst als Friedenskanzler zu inszenieren. Sehen Sie das mit Sorge?
Sorge nicht. Ich denke, eine Mehrheit in Deutschland ist dafür, uns weiter zu unterstützen, ob mit Taurus oder ohne. Aber wenn ich das sagen darf: Wir wünschen uns mehr Führungskraft von Deutschland und von Europa insgesamt.
Die Russen greifen derzeit aggressiv an. Wie geht es Ihnen, wenn Sie die Nachrichten aus Ihrer Heimat hören?
Meine Frau und ich kamen am 27. Oktober nach München und irgendwann an diesem Tag hörten wir Hubschrauber über unseren Köpfen. Wir beide duckten uns sofort weg. Zu Hause ist das die erste Reaktion, wenn man etwas fliegen hört, denn man weiß nie, was um einen herum ist. Der Luftterror, den die Russen betreiben, ist schlimm. Sie wollen die Menschen einschüchtern und ihren Verteidigungswillen brechen. Es ist ein Psychokrieg.
Bisher hat Putin die Ukraine so nicht in die Knie zwingen können.
Das stimmt. Vielleicht hat es damit zu tun, dass Ukrainer und Russen sich nicht so ähnlich sind, wie der Kreml behauptet. Putin erzählt ja immer die Legende, wir seien ein Volk. Das ist absolut irre. In der Ukraine spielen demokratische Werte auch historisch eine Rolle, das war in Russland nie so. Die glauben an ihren Zaren, bei uns geht die Initiative von unten nach oben. Das ist der Unterschied.
Der BND hat gerade vor einem russischen Angriff auf die Nato in einigen Jahren gewarnt. Was haben Sie gedacht, als Sie das gehört haben?
Dass es der Wahrheit entspricht. Die Russen werden einen solchen Krieg wagen, wenn die Ukraine verliert. Deshalb ist es im Interesse der Nato-Länder und der EU, die Ukraine bestmöglich zu unterstützen.