Trümmer nach der Feldschlacht

von Redaktion

Orientierungslos in den Wahlkampf: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai (l.) ist Geschichte, Parteichef Christian Lindner angeschlagen. © picture alliance / dts

München – Nach 50 Sekunden ist alles vorbei. Bijan Djir-Sarai weist am Freitagmittag um 11.30 Uhr noch immer jegliche Schuld von sich. Er habe nichts von der Existenz des D-Day-Papiers aus der Parteizentrale gewusst und deshalb auch nicht bewusst die Unwahrheit gesagt. Aber er übernehme die politische Verantwortung und trete zurück. Nach wenigen Sätzen entschwindet der Generalsekretär a.D. durch eine kleine Seitentür. Der Skandal hat sein Opfer. Doch eine Frage bleibt im Raum: Reicht das?

In der FDP brennt es lichterloh. Schon am Donnerstagabend. Zu viel an diesem Vorgang um das Strategiepapier verärgert die Partei der selbsternannten Macher. „Eigentlich ist jeder froh, dass das Ampel-Theater vorbei ist“, sagt einer aus der Bundestagsfraktion verärgert. Aber statt über den Kampf gegen die Wirtschaftskrise, zu viel Bürokratie und die richtige Sicherheitspolitik rede man nun über dieses blöde Papier. Für Rot-Grün sei das eine Steilvorlage.

Die Lesart ist klar: Problem sei nicht, dass sich eine Partei auf verschiedene Szenarien vorbereitet – das hat zumindest die SPD genauso getan. Sondern die unbedachte Wortwahl („offene Feldschlacht“), die eher an eine Gruppe pubertierender Pennäler erinnert. Und später das schlechte Krisenmanagement: beginnend mit der offensichtlichen Falschaussage des Generalsekretärs, das Wort „D-Day“ sei nie benutzt worden. Man fragt auch, warum ein Papier als Zeichen der Transparenz öffentlich gemacht wird, von dem die Parteispitze angeblich keine Ahnung hat. Und man wundert sich über die interne Mail des Bundesgeschäftsführers Carsten Reymann – als ehemaliger Büroleiter ein enger Vertrauter von Lindner –, die keinerlei Selbstkritik erkennen lässt und stattdessen die „sehr tendenziöse Berichterstattung“ beklagt.

Auch die Spötter sind nicht weit. Es könne nicht mehr lange dauern, bis ein Bruder von Christian Lindner die Urheberschaft des Papiers übernehme, witzeln sie auf X. Doch zum Spaßen ist den Liberalen nicht zumute. Alle wissen, dass es am 23. Februar mal wieder um alles geht. Aus knapp der Hälfte aller Landtage ist die Partei schon geflogen. Wenn nun auch noch die Strukturen einer Bundestagsfraktion wegbrächen, werde das Überleben ganz schwer, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Autor des Papiers, erstellt am 24. Oktober um 15.38 Uhr, war Geschäftsführer Reymann, erst seit Frühjahr im Amt. Und nicht wenige vermuten, dass es der abgewanderte Volker Wissing oder einer seiner Mitarbeiter durchgestochen habe.

Es ist kein Zufall, dass sich als Erste Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu Wort meldet. Die meinungsfreudige Düsseldorferin ist keine Freundin von Lindner und Djir-Sarai, wurde vor der Europawahl nach Brüssel weggelobt. „Die Wortwahl ist der Sache nicht dienlich, eine Verschriftlichung mit dieser Tonalität nicht nachvollziehbar“, erklärt sie. Am Freitagmorgen legt die JuLi-Vorsitzende Franziska Brandmann nach. „Nicht nur die Öffentlichkeit muss den Eindruck gewinnen, über Wochen getäuscht worden zu sein – sondern auch die eigene Partei“, erklärt sie schriftlich. Und fordert Djir-Sarais Rückzug.

D-Day. Aber für die FDP. Mittags ist Djir-Sarai weg, auch Reymann nimmt seinen Hut. Drei Monate vor der Wahl wirft das die Partei auch organisatorisch schwer zurück. In der Partei ärgern sie sich. „Als FDP müssen wir in den kommenden Monaten hart daran arbeiten, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen“, heißt es in einem Statement des bayerischen Landesvorstands. Ob dafür Lindner noch der Richtige ist? „Es ist schwer vorstellbar, dass Lindner mit dem Papier nichts zu tun hatte“, sagt Pegah Edalatian, Politische Geschäftsführerin der Grünen. In der FDP widersprechen sie da nur halbherzig. Lindner selbst sagt am Freitagabend: „Ich trage die Gesamtverantwortung für die FDP und zu der bekenne ich mich auch.“ Natürlich „musste und muss ich mich prüfen“.

Trotzdem: Niemand in der Parteispitze stellt Lindner bislang infrage. Anders als Djir-Sarai habe er nicht die Unwahrheit gesagt. Zudem: Die Kampagne für die Wahl ist fast fertig, ganz auf den Parteichef zugeschnitten. In der FDP erwartet man, dass er rasch einen neuen General vorstellt. Der Name von Ex-Justizminister Marco Buschmann geistert herum, wie fast alle Köpfe der FDP aus Nordrhein-Westfalen. Eher Stratege als Wadlbeißer. Aber: Als ehemaliger Bundesgeschäftsführer kennt er die Parteizentrale. Strack-Zimmermann sagt: „Es braucht eine starke FDP, die sich keine Clownerie leistet, sondern sich ihrer Verantwortung bewusst ist.“

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