Wladimir Putin hätte es nicht schöner sagen können als der Kanzler auf seiner „Wahlsieg-Konferenz“: Mit Deutschlands Sicherheit spiele man nicht „Russisch Roulette“. Der Vorwurf an Friedrich Merz zielt darauf, die Bürger ganz im Sinne des Kremls in Panik zu versetzen, und er ist eine offene Einladung an Moskau, seine Kriegsrhetorik gegen Deutschland in den kommenden Wochen weiter zu verschärfen, um die russlandfreundlichen Parteien zu stärken. Die SPD wird es Putin danken. Das ist eine Ungeheuerlichkeit und ein Tiefpunkt in der Rhetorik der SPD, zeigt aber, worauf sich die Deutschen im Winterwahlkampf einzustellen haben.
Vergleichsweise zivil waren verglichen damit zum Wahlkampf-Auftaktwochenende die Grünen unterwegs: Die „Du-sollst-nicht-lügen“-Ermahnung der neuen Parteichefin Franziska Brantner an den bedrängten FDP-Chef Lindner gehört zum Standardrepertoire jeder guten Wahlkämpferin. Solange alle Augen auf die D-Day-Affäre gerichtet sind, dürfen die Grünen darauf hoffen, dass die im Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg zutage geförderten dreisten Tricksereien im Habeck-Ministerium von der Öffentlichkeit unbeobachtet bleiben. Gleiches gilt aus Sicht der SPD für die Cum-Ex-Gedächtnislücken des Kanzlers im Hamburger U-Ausschuss.
Während CDU-Chef Merz am Wochenende in Deckung blieb und dem scheuen Wahlvolk versicherte, was unter seiner Kanzlerschaft alles nicht passieren wird (etwa Rentenkürzungen), kämpft im lichterloh brennenden Thomas-Dehler-Haus die FDP mit sich selbst statt mit der Konkurrenz. Christian Lindner will sich selbst „prüfen“. Wie Scholz und Habeck ist er eines der Gesichter der gescheiterten Ampel, doch halten ihn die Liberalen für so unentbehrlich, dass Rücktrittsforderungen ausblieben. Eine gewisse personelle Verbreiterung und Erneuerung täte der FDP dennoch gut. Die Berufung von Marie-Agnes Strack-Zimmermann zur Generalsekretärin wäre ein wuchtigeres Signal gewesen als die des braven Parteisoldaten Marco Buschmann. Doch setzt der FDP-Chef nach den Erfahrungen der letzten Tage, menschlich verständlich, auf blindes Verständnis und Kampagnen-Knowhow aus dem Stand, auch wenn Strack-Zimmermann für die Weidels, Wagenknechts, Mierschs und Brantners die bissigere Gegnerin gewesen wäre. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
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