KOMMENTAR

Georgiens tiefer Riss wird größer

von Redaktion

Straßenschlachten in Tiflis

Im Eiltempo schraubt sich die Eskalationsspirale in Georgien nach oben. Menschenmassen, Feuerwerkskörper und Polizeigewalt: Die Bilder aus der georgischen Hauptstadt Tiflis zeigen nicht nur enorme Ausschreitungen, sondern auch den tiefen Riss, der sich durch das Land, durch die Gesellschaft zieht. Pro-europäische Demonstranten gegen eine russlandfreundliche Regierung. Eine progressive Bewegung gegen ausgedienten Moskau-Filz.

Die Tatsache, dass die Polizei so gewaltvoll gegen friedliche Demonstranten vorgeht, zeigt, wie groß die Angst der Regierungspartei Georgischer Traum vor einem Machtverlust ist. Von Wahlmanipulationsvorwürfen mal abgesehen, hat der Regierungschef Irakli Kobachidse mit dem angekündigten Aussetzen des EU-Beitritts offensichtlich nicht den erhofften Rückhalt. Zu laut sind Opposition und Zivilbevölkerung. Mit Gewalt isoliert die Regierung in Tiflis den einstigen Sowjetstaat international weiter. All das spielte sich bereits so oder so ähnlich in der Region ab. Während die Maidan-Proteste 2013/14 in Kiew die ukrainische Sicht auf Russland für immer veränderte, wurde 2020/21 in Belarus die pro-europäische Stimme komplett zum Schweigen gebracht. Wenn die europäische Unterstützung für die georgische Opposition jetzt bröckelt, ist es ein weiteres Einfallstor für Putins Expansions-Wahn.
LEONIE.HUDELMAIER@OVB.NET

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