Gesicht der Ein-Personen-Partei: Sahra Wagenknecht. © dpa
Berlin – „Wir haben Geschichte geschrieben“, rief Sahra Wagenknecht in Richtung ihrer Unterstützer. Soeben hatte die BSW-Chefin die aktuellen Hochrechnungen zu den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen gesehen. Aus dem Stand holte das BSW 15,8 beziehungsweise 11,8 Prozent. Es ging steil nach oben für das BSW. Zwei Wochen später gab es auch in Brandenburg zweistellige Ergebnisse. Das war im September. Anfang Dezember scheint der Höhenflug der Partei gestoppt.
In Umfragen zur Bundestagswahl nähert man sich gefährlich nahe der Fünf-Prozent-Hürde – von oben wohlgemerkt. In aktuellen Erhebungen wird das BSW nur noch mit durchschnittlich sechs Prozent geführt. Laut einer Forsa-Umfrage waren es sogar nur vier Prozent.
Dass man die starken Ost-Ergebnisse nicht flächendeckend erreichen werden wird, war klar. Schon die Linke war hier stärker als im Rest der Republik. Doch mehr hatte man sich im BSW-Lager dann doch vorgestellt. Im September stand die Partei bei einigen Umfragen bundesweit noch bei zehn Prozent. Was ist seitdem passiert?
Der Politikwissenschaftler Martin Gross von der LMU München sieht einen Grund im Ampel-Aus. „Das hat viel von der Aufmerksamkeit vom BSW weggelenkt“, sagt Gross unserer Zeitung. Und es habe auch das BSW selbst unter Druck gesetzt. Eigentlich hatte man sich auf Wahlen im September eingestellt. Noch sind nicht einmal alle Landesverbände gegründet.
Ein zweiter Grund: „Jetzt wird es zum ersten Mal konkret für das BSW, dass Leute und potenzielle Wähler sich mit der Partei beschäftigen“, sagt Gross. Man stelle sich also die Frage, was das BSW überhaupt will. „Und da ist keine klare Strategie erkennbar.“
Gross vermisst diese Strategie etwa beim Umgang mit den Koalitionsverhandlungen im Osten, Stichwort Friedenspolitik. „Warum sind Mittelstreckenraketen und Friedensklausel ein Grund, in Sachsen nicht in die Regierung einzutreten – in Thüringen ist es aber okay?“ Und: „Warum geht das BSW mit der SPD eine Regierung in Brandenburg ein, obwohl dort der Fliegerstützpunkt Holzdorf (Südbrandenburg, d. Red.) ausgebaut wird?“
Dadurch zeigt sich laut dem Politikwissenschaftler: „Das ist eine neue Partei, man weiß noch nicht so richtig, wofür sie steht.“ Das sei aber keineswegs nur ein Phänomen beim BSW. Wenn neue Parteien anfangs nach oben schießen, würden die Umfragewerte in der Regel wieder fallen, sobald es konkreter wird. „Das sehen wir immer häufiger“, erklärt Martin Gross.