KOMMENTAR

Ein Wortbruch und seine Folgen

von Redaktion

Biden begnadigt seinen Sohn

Es ist das heikle Vorrecht eines US-Präsidenten, Straftäter zu begnadigen. Bush tat es, Clinton tat es und auch Donald Trump erließ rund 140 Personen ihre Strafe, darunter seinem mehr als zwielichtigen Ex-Berater Steve Bannon und dem Vater seines Schwiegersohns. Joe Biden setzt das nun fort und sticht doch heraus: Er begnadigt seinen Sohn, obwohl er stets beteuert hatte, genau das nicht zu tun.

Man mag das menschlich nachempfinden können. Aber erstens obliegt das Privileg der Begnadigung eben nicht dem Vater, sondern dem Präsidenten Joe Biden. Zweitens kollidiert seine Begründung auffällig mit jenem Rechtsstaat, den er doch gegen Trump und Co. immer zu verteidigen vorgab. Biden wirft der Justiz vor, seinen Sohn „ungerecht“ behandelt und ein „Fehlurteil“ getroffen zu haben. Das ist im Ton gemäßigter, im Inhalt aber nicht weit von der Delegitimierung der Justiz entfernt, mit der Populisten arbeiten.

Ohne es zu wollen, dürfte der scheidende Präsident damit seinem Nachfolger eine Steilvorlage bereitet haben: Trump hat mehrfach angekündigt, jene irren Extremisten begnadigen zu wollen, die vor vier Jahren das US-Kapitol stürmten. Jetzt kann er es mit Verweis darauf tun, dass selbst seine Verfechter dem Rechtsstaat nicht mehr voll vertrauen. In diesen fragilen Zeiten hat Bidens Wortbruch einen hohen Preis. Zahlen müssen ihn alle.
MARCUS.MAECKLER@OVB.NET

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