Gemeinsamkeiten bei der Verteidigungspolitik: Friedrich Merz (l.) und Robert Habeck (re.) könnten sich einigen – wohl zur Freude von Generalinspekteur Carsten Breuer. © Nietfeld/dpa
München – Daniel Günther hat aus seiner Meinung über die Grünen noch nie ein Hehl gemacht. „Sie sind verlässlich in der Koalition, man kann mit ihnen vertrauensvoll zusammenarbeiten“, sagt der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein über seinen Koalitionspartner. Auch Hendrick Wüst aus Nordrhein-Westfalen äußert sich gerne ähnlich. Bei der CSU stößt das bislang auf offene Ablehnung. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt schimpfte erst kürzlich über die „Schwarz-Grün-Romantiker in den Bundesländern“. Auch wenn die Arbeitsteilung Bestand hat: Inzwischen scheint etwas ins Rutschen zu geraten.
Auffällig ist, dass vor allem die zu Kampagnen neigende „Bild“-Zeitung dem Bündnis in den vergangenen Tagen viel Platz einräumt. Erst antwortete die neue Grünen-Chefin Franziska Brantner auf die Frage „Was können Sie mit Herrn Merz besser als mit Herrn Scholz?“: „Frieden, Freiheit in Europa und klar an der Seite der Ukrainer stehen.“ Es gebe da „eine Debatte innerhalb der SPD über den richtigen Kurs. Es sei offen „wo am Ende die SPD dabei steht“.
Gestern nun sagte Merz, auf die Frage, mit wem er nach einer Bundestagswahl als Kanzler besser zusammenarbeiten könne: „In der Außen- und Sicherheitspolitik gibt es sicher mit den Grünen mehr Gemeinsamkeiten als mit der SPD.“ Merz, der als schwarz-grüner Romantik unverdächtig gilt, hat ein wechselvolles Verhältnis zur Öko-Partei: Erst galt der ehemalige Blackrock-Manager gar als Grünen-Hasser, 2020 dann umschmeichelte er sie, als er zum „Spiegel“-Interview demonstrativ in grünem Anzug und passender Krawatte erschien. Aber gut, auch Markus Söder hat schon Bäume umarmt.
Klar ist: Jenseits der Außenpolitik gibt es eine lange Liste an Themen, bei denen sich Grüne und Union uneins sind. Das beginnt bei der Zukunft des Deutschlandtickets, das Markus Söder bereits schwer angezählt hat, reicht über Bürgergeld und die Agrarpolitik und endet bei Heizungsgesetz oder Atomausstieg. Merz zieht bereits deutliche rote Linien: „Mit Blick auf die Wirtschaftspolitik der Grünen sind wir ganz anderer Meinung, da brauchen wir einen grundlegenden Kurswechsel.“ Wie gefährlich eine zu große Annäherung für die Union strategisch ist, verrät ein Blick in die Sozialen Netzwerke. Der AfD-Wahlkampf gegen die „Kriegstreiber-Koalition“ läuft schon.
Aber ist Schwarz-Grün deshalb ausgeschlossen? Derzeit gibt es in den Ländern drei Bündnisse dieser Art – in NRW und Schleswig-Holstein unter einem CDU-Ministerpräsidenten, in Baden-Württemberg unter Führung des Grünen Winfried Kretschmann. „Und das sind ja nicht die erfolglosesten Bundesländer“, wie unlängst Angela Merkel in einem Interview anmerkte. Die Altkanzlerin hatte schon immer Sympathien für ein solches Bündnis, vertritt damit aber sicher nicht die Mehrheitsmeinung in ihrer Partei.
Auch Merz stellt klar, man werde sicher keinen Koalitionswahlkampf führen. „Wir kämpfen um jede Stimme. Und nach der Bundestagswahl sprechen wir dann mit den demokratischen Parteien der politischen Mitte, wie wir einen Kurswechsel hinbekommen.“ Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck hat bereits erklärt, seine Partei sei offen. „Dieses Tabuisieren, das eigentlich nur noch Markus Söder macht, sollten Demokraten nicht tun.“
Aber findet man bei den großen Streitthemen wirklich zusammen? Aufmerksam beobachtet man bei den Grünen, wie auch in der Union eine Debatte um die Schuldenbremse beginnt. Als mögliches Muster für Kompromisse dient ein Vorstoß der drei schwarz-grünen Landesregierungen zur Migrationspolitik nach dem Anschlag von Solingen. Darin fanden sich Punkte, die weit über grüne Positionen im Bund hinausgingen. Schwarz-Grün forderte Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und beschleunigte Überstellungen an andere EU-Staaten. Straftäter aus Syrien und Afghanistan sollten unverzüglich abgeschoben werden. Und wer in sein Heimatland reist, sollte seinen Schutzstatus verlieren.
Einer fand den Vorstoß übrigens ganz prima: Robert Habeck. Der Antrag zeige, „wie gut Grüne mit der CDU etwas hinbekommen können, wenn die CDU sich von Vernunft leiten lässt“.
MIK