KOMMENTARE

Europas Motor mit Kolbenfresser

von Redaktion

Frankreichs Regierungskrise

Der Ukraine-Krieg, drohende neue Flüchtlingsbewegungen aus Syrien, ein US-Präsident Donald Trump, der der EU mit Strafzöllen droht: Europa steckt vor gewaltigen Herausforderungen. Ausgerechnet in dieser dramatischen Situation ist nicht nur die deutsche Regierung geplatzt, sondern nun auch die französische.

Paris und Berlin, der viel beschworene Motor Europas, stottert nicht nur – die verfahrene Lage in Frankreich gleicht einem veritablen Kolbenfresser. Die Mehrheitsverhältnisse im französischen Parlament sind so, dass die zu Kompromissen nicht bereiten Linken und Rechtspopulisten in der Nationalversammlung jede vernünftige Lösung blockieren können. Neuwahlen kann es frühestens im Juli 2025 geben. Und selbst dann ist zu befürchten, dass die Extremisten am linken und rechten Rand um Jean-Luc Mélenchon und Marine Le Pen nur noch stärker daraus hervorgehen werden.

Egal, wen Emmanuel Macron nun zum Nachfolger des gestürzten Michel Barnier ernennt: Der neue Premier wird von Linken und Rechten blockiert werden, wird kaum eine Chance haben, den angesichts der aus dem Ruder gelaufenen Staatsverschuldung gebotenen Konsolidierungskurs durchzusetzen. Sparen ist ohnehin nicht populär, für die linken und rechten Populisten ist jede Kürzung staatlicher Leistungen ein gefundenes Wahlkampf-Fressen.

So wird Frankreichs Mitte immer weiter in einen Abwärtsstrudel gezogen. Macron, der einst als große Hoffnung für alle pro-europäischen, liberalen Kräfte angetreten war, hat mit einer Mischung aus Arroganz der Macht und naiver Fehleinschätzung der Realitäten diese Krise der politischen Mitte dramatisch verschärft. Statt Barnier zu stützen, weilte er in Saudi-Arabien, als gehe ihn die Regierungskrise nichts an.

Die große Bühne der Notre-Dame-Wiedereröffnung sollte eigentlich ein Präsidenten-Fest werden – jetzt wird das Spektakel um den 700 Millionen teuren Wiederaufbau überschattet von einer Schuldenkrise, die die Euro-Stabilität zu gefährden droht. Präsident Macron muss versuchen, gemäßigte Kräfte im Parlament für ein breites Bündnis zu gewinnen. Nur solch eine (für Frankreich ungewohnte) Koalition der Vernunft kann den Staatshaushalt stabilisieren. Und Macrons Macht bis 2027 retten.
KLAUS.RIMPEL@OVB.NET

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