Vom Kopf auf die Füße: Bayerns AfD-Chef Stephan Protschka geht als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl. Sein Ziel: „20 AfD-Abgeordnete aus Bayern. © Daniel Löb/dpa
Greding – Stephan Protschka ist vielleicht kein großer Redner, aber ein donnernder. Für seine Bewerbungsrede hat er sich eine Floskel zurechtgelegt: Man müsse das Land wieder vom Kopf auf die Füße stellen, ruft er ins Mikro, einmal sagt er auch „auf die Beine“, aber man weiß ja, was er meint. Was in Deutschland abgehe, das ähnele „dem Faschismus“. Dann wütet Bayerns AfD-Chef gegen Freie Wähler und CSU – und gegen die „Lügen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Welche das sein sollen, sagt er selbstverständlich nicht.
All das ist nicht neu, aber es wirkt an diesem Wochenende bedrückender als sonst. Bayerns AfD ist zusammengekommen, um ihre Liste für die Bundestagswahl aufzustellen. Veranstaltungsort ist wie immer Greding in Mittelfranken, aber sonst hat sich einiges verändert. Journalisten können nur eingeschränkt berichten, werden von Security-Personal zum Kaffeeholen oder zur Klotür begleitet. Gespräche mit Mitgliedern sind so kaum möglich.
Die Härte passt zum Kurs des Landesverbands, der sich inzwischen deutlich an radikalen Vorbildern aus dem Osten der Republik orientiert. Das spiegelt auch die (allerdings noch nicht vollständige) Liste wider. Die Bayern-AfD setzt auf bekannte Köpfe.
Protschka wird mit rund 78 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten gewählt. Auf Platz zwei folgt, mit deutlich besserem Ergebnis, Peter Boehringer, der den Parteifreunden verspricht, dass es keine „Melonisierung“ der AfD geben werde, also: keinen gemäßigteren Kurs nach dem Vorbild der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni. Platz drei belegt Rainer Rothfuß. Er ist noch nicht so lange im Bundestag wie die beiden Kollegen, hat die Bayern-AfD aber in den letzten Jahren so geprägt wie wenige.
Der 53-Jährige steckt unter anderem hinter der erst vor zwei Wochen beschlossenen „Remigrations“-Resolution, die selbst in der AfD umstritten ist. Darin fordert der Landesverband die millionenfache Ausweisung von Migranten und geht damit deutlich weiter als die Bundes-AfD, die versucht, das Reizwort aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Rothfuß, der sich in Greding selbst als „Mann für die heißen Themen“ bezeichnet, sagt, er stehe dazu.
Ähnlich ist es mit dem Kreml-freundlichen Kurs der Bayern-AfD, der ebenfalls maßgeblich auf Rothfuß‘ Kappe geht. Vor Kurzem erst sorgte eine Russland-Reise für Aufsehen, bei der er den früheren Präsidenten Dmitri Medwedew traf. Letzterer drohte in der Vergangenheit immer wieder mit Bomben auf Berlin, Rothfuß nennt ihn in Greding selbst „Russlands Scharfmacher“.
Auch die Frau auf Listenplatz vier hat schon Schlagzeilen gemacht. Gerrit Huy nahm vor gut einem Jahr an dem berüchtigten Treffen in Potsdam teil, bei dem der rechtsextreme Aktivist Martin Sellner über seine Ideen zur „Remigration“ sprach. Die AfD sei der „einzige wirkliche Vertreter der sozialen Marktwirtschaft“ sagt sie in Greding und fordert, Gelder an die Weltgesundheitsorganisation und die Vereinten Nationen ebenso restlos zu streichen wie die Waffenlieferungen an die Ukraine.
Inhaltlich ist das alles nah an den Ost-Verbänden der AfD. Rothfuß sagt denn auch, man sei „gewissermaßen der Osten im Westen“. Im Landesverband fühlt man sich von den Umfragen bestätigt. Bis zu 18 Prozent sind es aktuell, aber Parteichef Protschka hofft auf noch mehr. Er würde sich freuen, wenn statt zwölf (im Jahr 2021) 20 AfD-Abgeordnete aus Bayern im nächsten Bundestag säßen, sagt er am Samstag. Dann müsse man „in Regierungsverantwortung, um dieses Land wieder zu heilen“.
Daraus dürfte aber nichts werden. Auch nicht mit Co-Parteichefin Alice Weidel, die sich am gleichen Tag in Berlin als Kanzlerkandidatin ihrer Partei vorstellt. „Wir für Bayern, Alice für Deutschland“, ruft Protschka am Ende seiner Rede, und im ersten Moment klingt es wie „Alles für Deutschland“, jene SA-Losung, für deren Gebrauch Thüringens AfD-Chef Björn Höcke gerichtlich verurteilt wurde. Schuld ist die schlechte Akustik im Gredinger Saal. Vermutlich.