München – Nur gut ein Jahr ist es her, da rollte China dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad den roten Teppich aus. Erstmals nach fast zwei Jahrzehnten wurde Assad im September 2023 in der Volksrepublik empfangen, in der ostchinesischen Metropole Hangzhou traf er Staats- und Parteichef Xi Jinping. Es war ein diplomatischer Sieg für den international geächteten Diktator, der damals langsam wieder auf die internationale Bühne zurückkehrte: Die Beziehungen zwischen den Ländern wurden zur „strategischen Partnerschaft“ aufgewertet, Xi Jinping sprach von einem „historischen Meilenstein“.
Keine 15 Monate später scheint es, als wolle Peking von all dem nichts mehr wissen. Am Sonntag marschierten islamistische Kämpfer in der syrischen Hauptstadt Damaskus ein. Es war ein historischer Umbruch, und doch fiel die Reaktion aus Peking äußerst knapp aus: „China verfolgt die Entwicklung der Lage in Syrien aufmerksam und hofft, dass die Stabilität in Syrien so bald wie möglich wiederhergestellt werden kann“, hieß es aus dem Außenministerium. Zu Xi-Freund Assad aber kein Wort.
Wenn Diktatoren vom eigenen Volk gestürzt werden, ist das für andere Diktaturen nie eine gute Nachricht. Auch Xi Jinping ist besessen von der Angst, eines Tages aus dem Amt geputscht zu werden. Immer wieder warnt er vor der Gefahr einer sogenannten „Farbrevolution“, also einem Umsturz, wie ihn etwa die Ukraine 2004 mit der „Orangen Revolution“ erlebt hatte, und vor Ereignissen wie beim „Arabischen Frühling“.
Dass in Syrien nun islamistische Gruppen die Macht übernommen haben, deren Motive und Ziele sich derzeit kaum abschätzen lassen, sorgt für zusätzliche Beunruhigung in Peking. Schon vor dem Sturz Assads war die Furcht in China groß, dass sich uigurische Separatisten aus der chinesischen Region Xinjiang dem syrischen Widerstandskampf anschließen könnten. Über Jahre hatte China ein eigenes Problem mit islamistischem Terror, Anfang der 2010er-Jahre kamen dutzende Menschen bei Anschlägen von Uiguren ums Leben. Peking reagierte maßlos auf den Terror und ließ Menschenrechtlern zufolge hunderttausende Uiguren in Umerziehungslager sperren.
China hatte das Assad-Regime in den letzten Jahren zwar nie militärisch unterstützt, der Regierung in Damaskus aber diplomatisch den Rücken gedeckt, etwa im UN-Sicherheitsrat. Wohl auch, weil in Assads Syrien gute Geschäfte warteten. Vor zwei Jahren wurde Syrien Partnerland von Chinas „Neuer Seidenstraße“, einem weltweiten Infrastrukturprojekt. China versprach sich lukrative Aufträge für seine Unternehmen für die Zeit nach dem Bürgerkrieg. „Der wirtschaftliche und soziale Wiederaufbau Syriens, insbesondere der Wiederaufbau der Infrastruktur und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen, wird ein Schwerpunkt für Syrien sein“, sagte der Politikwissenschaftler Liu Zhongmin anlässlich des Assad-Besuchs. Chinas Seidenstraßen-Initiative sei dafür der passende Partner.
Der Fall des Assad-Regimes zeigt aber auch, dass China politisch in der Region so gut wie keine Rolle spielt. Das Vakuum, das der Rückzug der USA aus dem Nahen Osten hinterlassen hat, konnte Peking zuletzt nie füllen. Seinem eigenen Anspruch als Führungsmacht des Globalen Süden dürfte Peking auch in Syrien nicht gerecht werden.
SVEN HAUBERG