Warum Warschau auf einen Kanzler Merz hofft

von Redaktion

Nach Kiew ist der CDU-Chef zu Besuch in Polen – Pläne für gemeinsame Ukraine-Kontaktgruppe

Schmieden auf Verdacht schon mal gemeinsame Pläne: Friedrich Merz und Donald Tusk in Warschau. © Kappeler/dpa

Warschau – In Polen gibt es schon einen klaren Favoriten für die Bundestagswahl. Als Friedrich Merz am Dienstag nach seiner Kiew-Reise in Warschau eintrifft, ist es beinahe so, als sei er bereits Kanzler. Plötzlich scheint eine gemeinsame Ukraine-Strategie wieder denkbar, von einer neuen Kontaktgruppe mit Paris und London ist die Rede. Merz soll den Vorschlag selbst gemacht haben, und Donald Tusk habe ihn wohl dankend angenommen, erzählt der CDU-Chef.

Zu diesem Zeitpunkt ist der Kanzler weit weg, thematisch wie geografisch: Er führt beim Autobauer Ford in Köln Gespräche über E-Mobilität, wird nur über die Absprachen in Warschau informiert, nicht aber eingebunden.

Das Verhältnis zwischen Olaf Scholz und dem polnischen Ministerpräsidenten ist unterkühlt. Anfang November erst hatte der Kanzler zum Gipfel in Berlin eingeladen. Es war der Abschiedsbesuch von US-Präsident Joe Biden, bei dem es vor allem auch um Ukraine-Hilfen ging. Emmanuel Macron aus Paris und Keir Starmer aus London waren dabei, doch Donald Tusk war nicht eingeladen – in Warschau hat man gekränkt reagiert, aber nicht überrascht. Zwischen Tusk und Scholz kriselt es schon länger. Auch als Scholz kürzlich mit Wladimir Putin telefonierte, gab es scharfe Kritik aus Polen.

Dabei war die Hoffnung auf einen Neuanfang zwischen Berlin und Warschau groß, als der proeuropäische Tusk vor einem Jahr die PiS von der Macht verdrängte: In Berlin hatte man sich über einen verlässlichen Partner in Polen gefreut, über ein Wiederaufleben des Weimarer Dreiecks. Doch es lief nicht wie geplant: Scholz und Tusk, sie können einfach nicht miteinander: Warschau schmeckt Scholz‘ Inszenierung als Friedenskanzler nicht, sein Nein zu Taurus wird genau registriert.

In Polen hofft man nun auf eine Kehrtwende unter einem möglichen Kanzler Merz. Die Tageszeitung „Rzeczpospolita“ beschreibt es so: Sollte eine Bundesregierung unter Friedrich Merz zustande komme, sei Deutschland endlich wieder „steuerbar“ – angesichts der Regierungskrise in Frankreich sei der CDU-Chef für Polen die einzige Hoffnung, dass sich in Europa noch etwas bewegen kann, schreibt der Deutschland-Experte Jedrzej Bielecki. Es gebe die Erwartung, dass es mit einer von Merz geführten Bundesregierung einen Partner für Polen geben werde, der die russische Frage versteht – auch mit Blick auf Trump.

Zuletzt hatte Polen Pläne für eine „Koalition der Willigen“ unter Tusks Führung geschmiedet, bei der es um eine massive Aufstockung der Ukraine-Hilfen gehen soll – unabhängig davon, was die USA entscheiden. Die baltischen und skandinavischen Staaten, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Kanada sollten dazu gehören – Deutschland nicht.

Merz‘ Vorschlag für eine neue Kontaktgruppe soll Berlin wieder ins Spiel bringen. Zunächst müsse geklärt werden, wie man den Krieg in der Ukraine beende und welche Garantien es dann gebe, damit er später nicht wieder neu entflammt, konkretisiert er. Dann stehe die Frage des Wiederaufbaus an. Zudem müsse die künftige Finanzierung der Ukraine-Unterstützung geklärt werden. Solche Fragen könnten sich „relativ schnell in der zweiten Januarhälfte stellen“. Also in der heißen Phase des Wahlkampfs.
KAB/DPA

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