In Brandenburg passiert selten Historisches, der gestrige Tag ist die Ausnahme. Seit Mittwoch regiert dort das BSW erstmals in einem Bundesland mit, obschon man in den Verhandlungen den Eindruck gewinnen konnte, es ginge ihm nicht um Landes-, sondern um Geopolitik. In den Koalitionsvertrag verhandelte die Partei außenpolitische Positionen hinein, die in Moskau besser ankamen als in Berlin. SPD-Regierungschef Dietmar Woidke trug das irritierenderweise ohne Schmerzen mit.
Aber das ist nun alles Vergangenheit. Die Zukunft ist aus verschiedenen Gründen spannender. Erstens, weil das BSW nun mitten im parallel laufenden Bundestagswahlkampf beweisen muss, dass es nicht nur links-populistisch reden, sondern auch pragmatisch regieren kann. Mit den Ministerien für Finanzen, Gesundheit und Verkehr übernimmt die junge Partei verantwortungsvolle Ressorts. Künftig geht es um Kliniken und Kreisverkehre statt um Krieg.
Zweitens ist ungewiss, ob es zwischen den Alphamenschen Woidke und Wagenknecht ohne Spannungen zugehen kann. Die kontrollsüchtige BSW-Gründerin behält sich das Recht vor, von Berlin aus nach Belieben in die Landespolitik hineinzuquatschen. Und der Regierungschef, gestern erst im zweiten Wahlgang gewählt, hat zuletzt gezeigt, dass er nicht zimperlich ist, wenn es um die Macht geht. Schon im Wahlkampf setzte er alles auf eine Karte (die AfD oder ich). Später schoss er durch das BSW-gefällige Bekenntnis gegen US-Mittelstreckenraketen in Deutschland nicht nur kaltblütig den eigenen Kanzler an. Er opferte auch die grüne Gesundheitsministerin, um das BSW in die Koalition zu locken.
Woidke muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dem BSW und seiner Kreml-affinen Linie um der Macht willen besonders weit entgegengekommen zu sein. Landespolitisch mag das keine Auswirkungen haben, es nutzt aber Wagenknechts Projekt Diskursverschiebung ungemein. Dass es selbst im Osten anders geht, haben die Kollegen in Thüringen vorgemacht. Auch dort regiert das BSW bald mit, der Koalitionsvertrag dokumentiert aber vor allem die unterschiedlichen Russland-Positionen. Das ist nicht nur ehrlicher, sondern auch verantwortungsbewusster.