Satt werden hat seinen Preis: Der für manche Lebensmittel wie Butter oder Olivenöl ist in diesem Jahr drastisch angestiegen. © Rolf Vennenbernd/dpa
München – Wie man Olaf Scholz kennt, war die Formulierung nicht ironisch gemeint, einen kuriosen Unterton hat sie trotzdem. In der ARD hat der Bundeskanzler am Dienstag auf die Krisen hingewiesen, die das Land seit Beginn des Ukraine-Krieges bestehen müsse. Man habe die Konsequenzen für die Wirtschaft zwar bewältigt, „aber wir kauen noch dran“. Und deshalb will er jetzt an die Lebensmittelpreise.
Scholz schlägt vor, den ermäßigten Steuersatz von sieben auf fünf Prozent zu senken. So könnten private Haushalte entlastet werden, der Bundeshaushalt aber nicht übermäßig belastet. „Ganz vielen, die wenig Geld verdienen“, werde geholfen, argumentiert Scholz, und man spüre den Effekt „beim täglichen Bedarf jeden Tag“.
Zwei Faktoren spielen da eine Rolle. Das eine ist der Wahlkampf, in dem Versprechen leicht von der Hand gehen, das zweite die tatsächlich explodierten Preise für Lebensmittel – am eklatantesten bei Butter (plus 38,9 Prozent im Vergleich zu 2023) und Olivenöl (plus 13,3). Laut Statistischem Bundesamt war die monatliche Ausgabe privater Haushalte für Nahrungsmittel und Getränke (aber auch Tabakwaren) bereits zwischen 2017 und 2022 von 348 auf 417 Euro gestiegen.
In Deutschland gibt es zwei Arten von Mehrwertsteuer: die regulären 19 Prozent und einen ermäßigten Satz von sieben, den der Fiskus im Sinne der sozialen Gerechtigkeit bei bestimmten Gütern und Dienstleistungen erhebt. Kultur gehört dazu, Bücher und Zeitungen – und Grundnahrungsmittel wie Obst oder Milch. Hier will Scholz ansetzen.
Einsparungen im Sieben-Prozent-Segment würden sich in der Regel auf Cent-Beträge beschränken, vier bis fünf etwa bei einem Paket Butter – vorausgesetzt, der Handel würde die niedrigeren Preise tatsächlich an die Verbraucher weitergeben. Aber auch das könnte sich summieren, sagt Scholz, er sehe da „durchaus gute Möglichkeiten“. Die Opposition sieht das anders. Sie bemängelt nicht nur den Zeitpunkt des Vorschlags und den Wahlkampfcharakter. „Warum hat Olaf Scholz das nicht schon lange umgesetzt?“, moniert Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gegenüber unserer Zeitung. Diese Forderung jetzt zu erheben, sei „alles andere als glaubwürdig“.
Der CSU-Chef bemängelt zudem, die Ampel habe selber maßgeblich zur Preissteigerung beigetragen, als sie zu Jahresbeginn die Mehrwertsteuer-Senkung in der Gastronomie auslaufen ließ, die zur Bewältigung der Corona-Belastungen gewährt worden war. „Olaf Scholz greift jetzt nur eine längst bekannte Forderung der CSU auf“, beklagt Söder, der im Sommer 2023 vorschlug, die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel komplett zu streichen. Damals war es die SPD, die ablehnte. „Für uns ist klar“, sagt Söder nun: „Eine Zustimmung kann es nur geben, wenn auch die Gastro-Steuer wieder auf sieben Prozent gesenkt wird.“ Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei vermisst zudem die Einbettung „in ein wirtschafts- und finanzpolitisches Gesamtkonzept“.
Kritik kommt auch aus der Wirtschaft. Der Handelsverband Deutschland spricht von „Entlastungen mit der Gießkanne“, zudem sei das Mehrwertsteuerrecht schon kompliziert genug. Auch Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung verweist auf die fehlende soziale Feinjustierung: „In Euro gerechnet wäre die Entlastung für das Kilo französischen Käse aus dem Feinschmeckergeschäft höher als für den abgepackten Scheibengouda.“
Andere Länder haben beherzter in die Preisgestaltung eingegriffen. Die spanische Regierung nahm im Sommer Olivenöl auf die Liste der „lebensnotwendigen Güter“ auf. Mehrwertsteuer ist seitdem überhaupt keine mehr fällig.
In Deutschland gibt es hingegen auch noch eine ganz andere Debatte über die Mehrwertsteuer. Im Sommer warf der Bundesrechnungshof dem damaligen Finanzminister Christian Lindner vor, das System mit zweierlei Sätzen sei zu verworren, eine Reform überfällig. Würde der Staat die Zahl der Sieben-Prozent-Ausnahmen reduzieren, gäbe es „erhebliches Potenzial für Steuermehreinnahmen“.