Atom: Schweden zürnt Deutschland

von Redaktion

Dampft nicht mehr: Das bayerische Kernkraftwerk Isar 2 gehörte zu den letzten im Land, die bis April 2023 noch liefen. © dpa

München – Die letzten drei deutschen Atommeiler gingen im April 2023 technisch lautlos vom Netz. Politisch hingegen gab es im Vorfeld heftigen Streit an verschiedenen Fronten: Innerhalb der mittlerweile zerbrochenen Ampel-Koalition, wo Kanzler Olaf Scholz seine grünen Koalitionspartner mit einem Machtwort noch dazu zwingen musste, nicht trotz Energiekrise schon am ursprünglich geplanten Datum zum 31. Dezember 2022 die letzten Stecker ziehen zu lassen. Mit der Union, die sich für einen Weiterbetrieb über das Frühjahr 2023 hinaus starkmachte. Und auch innerhalb der Grünen, wo Wirtschaftsminister Robert Habeck vielleicht mehr Pragmatismus gewagt hätte, wenn ihm nicht der kompromisslose Anti-AKW-Flügel um den früheren Umweltminister Jürgen Trittin im Nacken gesessen hätte.

Gut eineinhalb Jahre später wird es nun erneut laut – und zwar aus dem Ausland. „Ich bin wütend auf die Deutschen“, sagt Schwedens Energieministerin Ebba Busch mit Blick auf den Atom-Ausstieg. „Sie haben eine Entscheidung für ihr Land getroffen, wozu sie das Recht haben. Aber das hat sehr ernste Konsequenzen gehabt.“ Neben Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Wirtschaftsmotors – und damit der EU – treiben die schwedische Politikerin dabei vor allem die eigenen Energiepreise um, die im Süden des Landes gerade auf Rekordniveau geklettert sind. Hintergrund: Wegen der aktuellen Dunkelflaute in Deutschland und über der Nordsee (kaum Sonne, kaum Wind) wird deutlich mehr Strom über Unterseekabel von Schweden nach Deutschland exportiert, damit es seinen Bedarf decken kann. Mit der Nachfrage schießen so auch für Schweden die Preise nach oben – und das regional sehr unterschiedlich. Schwedischen Medienberichten zufolge lagen die Strompreise am Mittwoch im Süden des Landes um 18 000 Prozent höher als in Mittelschweden. Eine schlechte Leitungsverbindung zwischen Nord- und Südschweden verstärkt das Problem noch. Auch, dass das Land selbst Kernkraftwerke stillgelegt habe, sei ein Fehler gewesen, den man korrigieren wolle. „Wir ebnen jetzt den Weg für neue Kernkraft“, kündigt Busch an.

Möglich ist all das, weil Schweden Teil eines EU-Strommarktmechanismus ist, der die gesamteuropäische Nachfrage in den Blick nimmt, anstatt etwa zuerst den nationalen Bedarf zu bedienen. Doch angesichts dessen sei das deutsche Energiesystem „nicht in Ordnung“, so Busch. „Wenn der Wind nicht weht, bekommen wir mit diesem gescheiterten Stromsystem hohe Strompreise. Das ist eine Folge der Abschaltung der Kernkraftwerke“, erklärt sie. Ein Weiterbetrieb der Atommeiler hätte dagegen „die Übertragungskapazität von Deutschland in andere Strompreisgebiete in Europa erhöht, was die Preise für uns alle gesenkt hätte“. Man werde nun „indirekt noch abhängiger von fossilen Brennstoffen“, kritisiert Busch, weil die Deutschen „ihre fossilfreie Atomkraft abgeschaltet haben“. Auch mit Gas- oder Kohle-Energie lassen sich Lücken stopfen.

Habecks Wirtschaftsministerium beschwichtigt. Die derzeit hohen Preise im Strom-Großhandel ergäben sich durch „ein seltenes Zusammenkommen mehrerer Faktoren“ (Dunkelflaute, gestiegener Gaspreis, Kälte) und erstreckten sich nur „auf sehr wenige teure Stunden“, die den Jahresdurchschnitt nicht nennenswert beeinflussten.

Doch der Ärger in Skandinavien reicht tiefer. Auch Norwegen klagt über explodierende Strompreise, die laut „Financial Times“ bis auf das fast Zwanzigfache der Vorwoche gestiegen sind. „Es ist eine absolut beschissene Situation“, wird Energieminister Terje Aasland zitiert. Man prüfe, die Leitungen mit Dänemark – über die auch Strom nach Deutschland fließt – abzuschalten.

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