In unruhigen Zeiten wie diesen machen die Bilder aus Südkorea Mut. Seit Präsident Yoon Anfang Dezember das Kriegsrecht ausgerufen hatte, sind hunderttausende Menschen Tag für Tag durch die Straßen von Seoul gezogen, um für ihre noch so junge Demokratie zu kämpfen. Für sie war das Sechs-Stunden-Chaos zutiefst traumatisierend. Zuletzt wurde das Kriegsrecht in Südkorea im Frühjahr 1980 verhängt. Es endete in einem Massaker. Bis zu 2000 Menschen verloren ihr Leben, als Soldaten auf junge Studenten schossen, weil sie freie Wahlen forderten.
Die Südkoreaner wissen, welchen Preis sie für den Weg in die Demokratie gezahlt haben. Was der Präsident ihnen angetan hat, war für sie unverzeihlich – das haben sie so lange in die Welt hinausgerufen, bis die Botschaft auch bei den Abgeordneten der Regierungspartei angekommen ist: Rund ein Dutzend von ihnen stimmten mit der Opposition für die Amtsenthebung von Yoon. Bemerkenswert ist auch, wie friedlich die Proteste abgelaufen sind: mit Tänzen und Gesängen statt Ausschreitungen und Krawallen.
Südkorea hat bewiesen, dass es eine wehrhafte Demokratie ist. Und das in Zeiten, in denen die Autokratien auf dem Vormarsch sind: Derzeit stehen 63 Demokratien einer Mehrheit von 74 Autokratien gegenüber. Südkorea, Taiwan und Japan sind das Bollwerk im pazifischen Asien. Umso wichtiger ist es, dass der Westen ihnen bei der Bedrohung durch China und Nordkorea beiseitesteht. Wie wichtig Zusammenhalt in Krisenzeiten ist, wurde uns in Seoul vorgemacht.
KATHRIN.BRAUN@OVB.NET