Tiflis – Ungeachtet anhaltender proeuropäischer Proteste hat die Wahlversammlung in Georgien den ultrarechten Micheil Kawelaschwili zum neuen Präsidenten gewählt. Das von der Opposition boykottierte Gremium sprach sich am Samstag mit 224 Stimmen für den Kandidaten der russlandfreundlichen Regierungspartei Georgischer Traum als neuen Staatschef aus. In Tiflis demonstrierten tausende Menschen gegen die Wahl des ehemaligen Fußballprofis.
In der Hauptstadt Tiflis trat die noch amtierende proeuropäische Präsidentin Salome Surabischwili am Samstagabend vor den Demonstranten am Parlament auf und rief: „Ich bin bei euch, und ihr seid in meinem Herzen“. Die Demonstranten skandierten: „Lang lebe die Präsidentin Georgiens.“ Teilnehmer hielten Fotos von Menschen hoch, die durch Polizeigewalt gegen die Demonstranten bei den seit Tagen anhaltenden Protesten mutmaßlich verletzt wurden.
Der ultrarechte Kawelaschwili soll am 29. Dezember die derzeitige Präsidentin Surabischwili ablösen. Diese will ihr Amt jedoch nicht aufgeben und fordert eine Wiederholung der Parlamentswahl. Vor den Demonstranten sagte Surabischwili am Samstagabend, um Frieden und Gerechtigkeit zu erreichen, seien Neuwahlen unabdingbar. Beobachter rechnen mit einer weiteren Verschärfung der politischen Krise, falls Surabischwili sich weiterhin weigert zurückzutreten.
Kritiker sehen in Kawelaschwili eine Marionette des russlandfreundlichen Milliardärs Bidsina Iwanischwili, der die Partei Georgischer Traum kontrolliert. SPD-Außenpolitiker Michael Roth, bezeichnete die Wahl als „einen weiteren Schritt zur ‚Gleichschaltung‘ aller verfassungsmäßigen Institutionen in Georgien“. „Die Regierungspartei vertieft die Spaltung von Georgien, plant einen Putsch und will die liberale Demokratie zerstören“, erklärte er.