Der diplomatische Draht nach Damaskus

von Redaktion

EU-Gesandter reist nach Syrien – Auch Bundesregierung bereitet Kontaktaufnahme vor

Anzug statt Militärkleidung: Ahmed al-Scharaa, Anführer der Islamistengruppe HTS gibt sich gesprächsoffen. © dpa

Brüssel/Berlin – Nach dem Umsturz in Syrien soll sich Ex-Machthaber Baschar al-Assad erstmals zu seiner Flucht nach Moskau geäußert haben. Diese sei nicht freiwillig gewesen, erklärte Assad in einer auf Englisch verfassten Erklärung, die auf dem Telegram-Kanal seiner früheren Präsidentschaft verbreitet wurde.

„Ich bin in Damaskus geblieben und habe meine Pflichten bis zum frühen Sonntagmorgen, 8. Dezember, wahrgenommen“, heißt es darin. Im Zuge der Offensive von „Terroristen“ auf Damaskus sei Assad zum russischen Militärstützpunkt in Latakia gereist. Als sich die Lage dort verschlechtert habe, habe Moskau die Evakuierung des Stützpunkts angeordnet. „Ich habe zu keinem Zeitpunkt während dieser Ereignisse in Betracht gezogen, zurückzutreten oder Asyl zu beantragen“, heißt es in der angeblichen Erklärung Assads. Ob das Statement echt ist, ließ sich zunächst nicht überprüfen.

Derweil nimmt die Europäische Union Kontakt zur neuen islamistischen Führung des Landes auf. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas kündigte am Montag an, der für Syrien zuständige deutsche EU-Diplomat Michael Ohnmacht werde bald in Damaskus eintreffen.

Auch die Bundesregierung bereitet direkte Kontakte zur neuen islamistischen Führung vor. Es werde „sehr rasch eine erste Kontaktaufnahme geben“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Es sei für die deutsche Diplomatie „einer der wichtigsten Punkte“, die „Präsenz vor Ort und die Gesprächskanäle“ auszubauen.

Für die EU spielt dabei auch eine gewichtige Rolle, dass viele Mitgliedstaaten hoffen, dass dann Syrien-Flüchtlinge freiwillig in ihre Heimat zurückkehren oder sonst auch abgeschoben werden können.

Der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), will die kommunalen Behörden auf Ausreisen syrischer Geflüchteter vorbereiten. Mit der personellen und sachlichen Vorbereitung könne bereits angefangen werden, sagte Stamp im Deutschlandfunk. „Aber für alles andere ist es einfach schlichtweg zu früh.“ CDU-Chef Friedrich Merz plädiert derweil für einen Aufnahmestopp. „In jedem Fall ist richtig, jetzt nicht weitere Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen“, sagte er in der ARD.

Doch die Lage in Syrien ist weiterhin unsicher. Der Nahost-Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido, warnte vor einem Aufbau einer „Islamischen Republik“. Viele Aktionen der neuen islamistischen Machthaber deuteten darauf hin.

Die EU stuft die HTS, die die Milizen im Kampf gegen Assad angeführt hatte, bislang als „Terrorgruppe“ ein und hat Sanktionen gegen sie verhängt. Luxemburgs Außenminister Xavier Bettel sagte, es sei „zu früh“, sie von der Sanktionsliste zu nehmen. „Es sind keine Engel“. Vielmehr handele es sich um frühere Terroristen, die sich von Al-Kaida abgespalten hätten.

Artikel 1 von 11