KOMMENTAR

Der Kanzler leistet sich einen Laschet-Moment

von Redaktion

Olaf Scholz außer Rand und Band

Eine solche Behandlung hat niemand verdient, auch Saskia Esken nicht. Wie ein dummes Mädchen ließ Olaf Scholz die SPD-Chefin im Bundestag stehen – eine Demütigung vor laufenden Kameras. Dem FDP-Chef hatte er davor bereits die „sittliche Reife“ abgesprochen. Am Abend war dann der Oppositionsführer dran. „Fritze Merz erzählt gern Tünkram“, also Blödsinn, teilte der Kanzler im ZDF-„Heute Journal“ aus. Man kann den Frust des gescheiterten Regierungschefs am Tag seiner verlorenen Vertrauensfrage ja verstehen. Aber Repräsentanten unserer Demokratie so herabzuwürdigen, das hat keinen Anstand und kein Format. Sein Gerede vom „Respekt“, mit dem der Wahlkämpfer Scholz nun wieder durch die Lande zieht, um von seiner furchtbaren Wirtschaftsbilanz abzulenken, kann er sich künftig sparen. Wenn er Pech hat, wird sein Auftritt zum Laschet-Moment im SPD-Wahlkampf. Der verspielte einst die Macht, weil er sich in einem entscheidenden Moment nicht zu benehmen wusste.

Auch strategisch hat der Kanzler einen schweren Fehler begangen, weil er mit seinen niveaulosen Angriffen Union und FDP wieder zusammenbrachte. Friedrich Merz hatte nach dem Auseinanderbrechen der Ampel zuletzt an Momentum verloren: Erst versuchte es der CDU-Chef, um keine Angriffsflächen zu bieten, mit Schlafwagen-Wahlkampf, dann irritierte er seine Stammwähler mit unnötigen Plaudereien über Schwarz-Grün. Am Montag und gestern bei der Vorstellung des Wahlprogramms suchte Merz wieder den Schulterschluss mit CSU-Chef Söder, der in Sachen Schwarz-Grün instinktsicherer unterwegs ist als sein CDU-Kollege. Und, endlich, auch mit der FDP.

Deutschland steckt tief in Problemen. Auch Unionswähler ahnen: Mit der SPD wird das Bürgergeld nicht vom Kopf auf die Füße zu stellen sein, mit den Grünen ist das Migrationschaos nicht zu ordnen, auch wenn Robert Habeck gerade anders redet. Für die Union muss es jetzt darum gehen, dem Land einen bürgerlichen Politikentwurf zu präsentieren, ohne schon vorab faule Koalitionskompromisse zu signalisieren. Die 32-Prozent-Union kann es sich einfach nicht leisten, sich am Vernichtungsfeldzug gegen die FDP zu beteiligen. Merz scheint das nun endlich verstanden zu haben. Seit dieser Woche kämpfen drei Lager um die Macht in Deutschland: Schwarz-Gelb gegen Rot-Grün gegen AfD/BSW.
GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET

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