KOMMENTARE

Ein Format aus einer anderen Zeit

von Redaktion

Streit um TV-Duelle

Schon das erste TV-Duell der Geschichte entschied eine Wahl: 1960 saß in den USA ein verschwitzter, schlecht rasierter und fahriger Richard Nixon dem braungebrannten Jüngling John F. Kennedy gegenüber. Die Amerikaner verfolgten gebannt, wie der favorisierte Vizepräsident mit dem neuen Format fremdelte. Nixon verlor erst die Debatte, später dann die Wahl. Der Mythos TV-Duell war geboren. Und wie die aufgeregte Berliner Debatte zeigt, hat das Format auch in Zeiten von Youtube und Influencern offenbar kaum etwas von seiner Bedeutung eingebüßt. Es hat bis heute für die Beteiligten vor allem das Potenzial, sich zu blamieren – auch für die einladenden Sender.

ARD und ZDF kleben im Jahr 2024 am US-Vorbild, dem aber ein entscheidender Unterschied zugrunde liegt: Durch das Mehrheitswahlrecht haben die USA ein Zweiparteiensystem, das nur wenig mit der zunehmend zersplitterten deutschen Parteienlandschaft gemein hat. Völlig zu Recht echauffieren sich deshalb Grüne und AfD in seltener Einigkeit über die Entscheidung vor allem der Öffentlich-Rechtlichen: Wer nur Friedrich Merz und Olaf Scholz in eine Spitzenrunde bittet, macht sich selbst angreifbar.

Dazu reicht schon ein Blick in die Umfragen. In allen liegt die AfD derzeit auf dem zweiten Platz. Sie trotzdem nicht an den Tisch zu holen, ist Wasser auf die Mühlen all jener, die den gebührenfinanzierten Sendern vorwerfen, eine eigene (links-grüne) politische Agenda zu verfolgen.

Dem steht entgegen, dass auch die Grünen nicht mit am Tisch sitzen. Ebenfalls unverständlich, weil beispielsweise bei der Forschungsgruppe Wahlen der Vorsprung der SPD zuletzt nur ein Prozent betrug. Angesichts der großen Umfrage-Schwankungen der letzten Wahlkämpfe (Schulz, Laschet) ist nicht auszuschließen, dass am 9. Februar der Erstplatzierte mit dem Viertplatzierten diskutiert.

Auch wenn es schade um die schöne Quote ist: Das Format TV-Duell ist politisch überholt, es passt nicht zu einem Vielparteiensystem. Die Kreativität der Programmmacher hätte längst genug gute Ersatz-Formate geschaffen, beispielsweise wenn Bürger einzelne Kandidaten grillen. Und die Diskussion Robert Habecks mit einem Heizungsbauer wäre interessanter als die erwartbare Verbalschlacht mit Alice Weidel.
MIKE.SCHIER@OVB.NET

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