Teure Pläne für Gutverdiener

von Redaktion

Gesundheit hat ihren Preis: Nach den Vorstellungen von SPD und Grünen könnte der noch deutlich steigen. © Patrick Pleul/dpa

München – Die nächste Anhebung ist schon beschlossen. Zum Jahreswechsel steigt die Beitragsbemessungsgrenze in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und Pflegeversicherung (SPV) um knapp 4000 Euro. Bis zu einem Jahreseinkommen von 66 150 Euro werden dann Beiträge zu GKV und SPV erhoben. Wer mehr verdient, muss trotzdem nicht mehr zahlen.

Dabei soll es nicht bleiben. SPD und Grüne streben eine weitere Anhebung auf das Niveau der Rentenversicherung an – 90 600 Euro. Das wäre ein Plus von fast 46 Prozent gegenüber heute. Betroffen wären 6,3 Millionen Arbeitnehmer. Nach einer Berechnung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) würden 22,9 Milliarden Euro zusätzlich an die klammen Kassen fließen. Die durchschnittliche Mehrbelastung für die Betroffenen betrüge jährlich 3646 Euro.

Das sind die bundesweiten Zahlen. Besonders stark bekämen eine Anhebung Arbeitgeber und Arbeitnehmer in wirtschaftlich erfolgreichen Regionen zu spüren. In Bayern etwa beträfe der Plan rund 1,06 Millionen Arbeitnehmer – lediglich im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen (1,33 Mio.) und in Baden-Württemberg (1,2 Mio.) sind es mehr. Mit vier Milliarden Euro hätte der Freistaat zudem den dritthöchsten Anteil an den gesamten Mehrbelastungen hinter NRW (4,9) und Baden-Württemberg (4,3).

Fast ein Fünftel aller Beschäftigten im Freistaat (19,2 Prozent) müsste mehr einzahlen. In Sachsen und Thüringen beträgt dieser Anteil 7,4 Prozent. Die jährlichen Mehrkosten für jeden Einzelnen lägen in Bayern bei 3753 Euro, 107 mehr als der Durchschnitt.

In einer teuren Region wie Oberbayern wäre eine solche Mehrbelastung nicht so einfach zu schultern. Ohnehin erweckt schon die aktuelle Grenze von 62 100 Euro einen trügerischen Eindruck. Wer darüber liegt, ist in einer Stadt wie München beileibe nicht automatisch ein Gutverdiener.

Bemerkenswert an der Studie ist, dass sie auch steuerliche Auswirkungen berücksichtigt. Denn der Fiskus wäre ebenfalls von einer Anhebung betroffen: Weil Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung steuerlich abzugsfähig sind, würden Bayern jährlich 461 Millionen Euro entgehen (Land: 341, Kommunen: 120). Bundesweit wären es 4,74 Milliarden.

„Das Geld würde an anderer Stelle fehlen, zum Beispiel für Schulen“, sagt Klaus Holetschek, Chef der CSU-Landtagsfraktion und selber früher Gesundheitsminister. Statt die Grenze zu erhöhen „und damit alle zu belasten, sollten endlich die versicherungsfremden Leistungen angegangen werden“. Mit dem ständigen Griff in die Kassen der Beitragszahler müsse Schluss sein.

Auch die Autoren sehen die Pläne zur Bemessungsgrenze skeptisch. Sie plädieren dafür, „nach den vielen Leistungsausweitungen in den letzten Jahrzehnten auf der Leistungsseite anzusetzen“. Es gerate nicht nur „die anhaltend kritische Ausgabenentwicklung aus dem Blick“, auch wirtschaftliche und steuerliche Folgen würden „allzu leicht übersehen“. Zudem monieren sie, ausgerechnet in prosperierenden Regionen steige die Belastung übermäßig.

Heikel wäre eine Anhebung auch für die Private Krankenversicherung (PKV). Mit der Bemessungsgrenze dürfte auch die Versicherungspflichtgrenze steigen, ab der man in die PKV wechseln kann. Eine starke Erhöhung würde „Millionen Angestellte ihrer Wahlfreiheit berauben und wäre ein fataler Schritt in Richtung Einheitskrankenkasse“, klagt PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther.

Von den guten Vorsätzen der SPD ist nicht viel geblieben. Noch im Sommer sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach, man habe kein Einnahmen-, sondern ein Effizienzproblem. Es brauche „Reformen, nicht mehr Geld“. Dafür ist das Vorhaben mit 22,9 Milliarden an potenziellen Mehreinnahmen üppig geraten.

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