KOMMENTARE

Aufregung im falschen Moment

von Redaktion

Debatte um Musk und die AfD

Wer Meinungsfreiheit will, muss unangenehme Meinungen aushalten. Elon Musks AfD-Wahlwerbung in der „Welt“ fällt darunter, sie bewegt sich im Rahmen unserer Gesetze. Es ist ein schwach argumentierender, holpriger Kommentar, recht dünne Suppe, die meisten Zeitungen hätten solch einen Text schlicht aus journalistischen Gründen jedem Redaktionspraktikanten um die Ohren gehauen. Vielleicht ist der Beitrag genau deshalb erhellend. Jeder Tesla-Fahrer darf fortan bang hoffen, dass Musk besser schraubt als schreibt. Aber: Vom Angstimpuls, dieser Text würde unseren Wahlkampf auf den Kopf stellen, sollten sich alle frei machen.

Aufregung wäre an zwei anderen Stellen angebracht. Die Gefahr der Meinungs-Manipulation durch Musk ist realer und massiver auf seiner Plattform X, weil die Mechanismen dort schwerer durchschaubar sind. Genehme Meinungen werden millionenfach propagiert, unangenehme kleingehalten. Es gibt Hinweise, dass der Algorithmus, welche Tweets wem wie oft gezeigt werden, zugunsten Trumps mutierte, und Musk selbst spielt sich ohnehin ungebremst auf seinem Kanal aus. Europa muss hier seine Macht und Mittel nutzen, um Transparenz zu erzwingen.

Und: Die Schnappatmung über Musks Text zeigt, dass viele hierzulande kein Konzept für den Umgang mit der AfD gefunden haben. Nur Dämonisierung, Aufschrei, Verbotsdebatten und dazu das Nennt-ja-den-Namen-nicht-Getue reichen nicht als Rezept, wenn 15, 20, in manchen Landesteilen 30 Prozent AfD wählen. Die einzige Lösung ist: Beseitigt die Probleme, die Protestwähler an die radikalen Ränder treiben! Das ist nach wie vor die ungesteuerte Migration, an die sich Sicherheitssorgen und Verteilungsfrust immer fester andocken. Gleichzeitig wächst schleichend der Groll, welche schräge Debatten die Politikblasen führen. Beispiel: Das Kampfwort „Wokeness“ triggert viele Menschen nicht, weil sie zurückwollen in Zeiten von Muff oder gar Diskriminierung, sondern weil sie von Politik und Gesellschaft in Krisenzeiten andere Prioritäten erwarten. Im US-Wahlkampf war das ein unterschätzter Faktor, Musk erkannte zumindest das richtig.

Dass die Ampel-Parteien absacken, aber die Union trotz geklärter K-Frage bei mageren 30 Prozent festhängt, zeigt: Die Menschen haben noch zu wenig Zutrauen, dass die nächste (Merz-)Regierung wirklich fundamental umsteuert – weil es ja doch wieder eine Koalition mit irgendeinem rot-grün-gelben Ex-Ampler wird, und selbst die FDP mit Finanzhoheit und Justizminister die größten Unfuggesetze voll mitzuverantworten hatte. Diese „Ändert sich eh nichts“-Apathie ist für die Parteienlandschaft viel gefährlicher als Musks Schulaufsätze.
CHRISTIAN.DEUTSCHLAENDER@OVB.NET

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