Er sucht das Bündnis mit Europas Rechtspopulisten. Für die AfD wirbt der US-Milliardär und Trump-Berater Elon Musk jetzt ganz offen. © Evan Vucci/dpa
München – Drei Spalten auf Seite neun unten links, nicht mal ein Bild steht dabei. Und trotzdem rüttelt dieser Text, den die „Welt am Sonntag“ veröffentlicht hat, den hiesigen Wahlkampf gehörig durch. Verfasst hat ihn Elon Musk, ein Mann von obszönem Reichtum und wachsender politischer Macht. Deutschland, schreibt der US-Milliardär, taumele „am Rande des wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs“. Der „letzte Funke Hoffnung“ sei die AfD.
Dem Inhalt nach ist das nicht neu, schon vor Weihnachten outete sich Musk als Sympathisant der in Teilen rechtsextremen Partei. „Nur die AfD kann Deutschland retten“, schrieb er damals auf seiner Online-Plattform X. Während viele Beobachter und Politiker über die schamlose Wahlkampf-Einmischung klagten, konnte AfD-Chefin Alice Weidel ihr Glück kaum fassen. Sie bedankte sich per Video beim „lieben Elon“.
Nun ist klar: Musks Tweet war keine Ausnahme. In seinem Gastbeitrag wirbt er jedenfalls ohne jede Zurückhaltung für die Rechtspopulisten. In der Wirtschafts-, Energie- und Zuwanderungspolitik sieht er sie auf dem richtigen Kurs, vor allem attestiert der Tesla-Chef der AfD einen „politischen Realismus, der bei vielen Deutschen, die das Gefühl haben, dass ihre Anliegen vom Establishment ignoriert werden, Anklang findet“. Rechtsextrem könne die Partei gar nicht sein, weil ihre Chefin „eine gleichgeschlechtliche Partnerin aus Sri Lanka“ habe. „Klingt das für Sie nach Hitler? Ich bitte Sie!“
Zwar stellt die „WamS“ Musks Text einen Gegenkommentar zur Seite, der aufzählt, was der Tesla-Chef – bewusst oder aus Unwissenheit – nicht erwähnt: dass die AfD raus der EU und hin zu Russland will, dass Rechtsradikale wie Björn Höcke den Kurs mitprägen und Ökonomen ihren Wirtschaftskurs für eine Gefahr halten. Die Frage, ob es legitim ist, den wiederholten Einmischungsversuchen so viel Raum zu bieten, beschäftigt nun trotzdem.
Musk ist ja nicht nur ein wirkmächtiger Unternehmer, sondern als enger Berater des künftigen US-Präsidenten Donald Trump auch politischer Akteur. Außerdem hält er viel Geld und über seine Plattform X auch Diskursmacht in seinen Händen. Beides münzt er in politischen Einfluss um. In Trumps Wahlkampf pumpte er Abermillionen von Dollar und manipulierte wohl auch den X-Algorithmus so, dass rechtspopulistische Inhalte prominenter vorkamen.
Dass Musk Europa als neues Ziel ausgemacht hat, ist längst sichtbar. Zu Italiens rechtsnationaler Regierungschefin Giorgia Meloni hat er einen freundschaftlichen Draht; der Partei des britischen Nationalisten Nigel Farage will er laut Berichten mit einer 100-Millionen-Dollar-Spende helfen. Deutschland wäre, neben Frankreich, das zentrale Puzzleteil, um Europa auf einen rechtsnationalen Kurs zu bringen. Musk scheint an etwas zu arbeiten, das Trumps Ex-Berater Steve Bannon nicht gelang: der Etablierung einer transatlantischen rechten Achse.
Die Kritik an Musk und der „WamS“ fällt jedenfalls deutlich aus. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz nannte den Wahlaufruf gegenüber der Funke-Gruppe „übergriffig und anmaßend“. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hält die Veröffentlichung für „beschämend und gefährlich“.
Auch innerhalb der Redaktion gab es laut dem Branchendienst „Medieninsider“ hitzige Debatten. Die Leiterin des Meinungsressorts, Eva Marie Kogel, trat aus Protest zurück; der „Redaktionsausschuss“, eine Art hausinternes Kontrollgremium, kritisierte Musks Text als eine „als Gastbeitrag getarnte Wahlwerbung“. Der Artikel stehe „im krassen Widerspruch“ zur Philosophie Axel Springers, nach der jede Art des politischen Extremismus abzulehnen sei. Die Chefredaktion verweist indes auf die Meinungsfreiheit. Die Debatten um den Text seien „sehr aufschlussreich“.
Laut „Spiegel“ soll Springer-Chef Matthias Döpfner den Beitrag organisiert haben, der Musk persönlich kennt. Der wiederum teilte in den Stunden nach Veröffentlichung mehrere X-Posts von Alice Weidel, in denen die AfD-Chefin den „WamS“-Artikel breit zitiert. Die neue Freundschaft gedeiht prächtig.
MIT DPA