WIE ICH ES SEHE

Der Du die Zeit in Händen hältst…

von Redaktion

„Gott, der die Zeit erneut, erneuere Euer Glück!“ So schrieb ein gerade 17 Jahre junger Johann Wolfgang von Goethe zum Jahreswechsel 1756 an seine Großeltern in Frankfurt.

Was es aber wirklich mit der Zeit auf sich hat, davon wissen wir immer noch wenig im Quantenzeitalter, trotz Einstein und Max Planck. Denn die Zeit erneuert sich nicht nach einem einheitlichen Gebot. Stattdessen wandelt sie sich in einem unendlichen Netzwerk von Ereignissen wie in Tänzen zu unterschiedlichen Rhythmen. Wir selber mit unseren Irrungen und Ablenkungen erfüllen die Zeit und schaffen sie zugleich.

An Irrungen der Politik hat es weiß Gott nicht gefehlt in den letzten zwölf Monaten. Zum Jahresende haben Bundeskanzler, Bundespräsident und Parteistrategen unserem Land auch noch Neuwahlen im Februar verordnet. Rein formell war das im Einklang mit dem Grundgesetz, aber in der Sache doch gegen dessen Geist gerichtet. Denn der Bundeskanzler hat das Verfahren eingeleitet, nicht um Vertrauen zu gewinnen, sondern mit dem Ziel, das Vertrauen zu verlieren, um über den Bundespräsidenten zu Neuwahlen zu kommen. Ein abgekartetes Spiel, bei dem der Bundespräsident mitgemacht hat, ohne ernsthaft zu versuchen, dass sich ohne Wahlen eine neue Regierung bilden könnte. Auch eine CDU/CSU/FDP-Koalition hätte versuchen können, die Mehrheit der Abgeordneten zur Wahl eines neuen Bundeskanzlers Merz zu erreichen. Nach diesen nun kommenden Wahlen wird man sowieso parteiübergreifend sprechen müssen, um eine neue Regierung zustande zu bringen. Viel anders wird es aber dann kaum aussehen.

Denn zum beginnenden Wahlkampf halten die Parteien zwar unterschiedliche Visionen bereit, wie es mit Deutschland weitergehen soll. Die wirklichen Herausforderungen aber werden kaum benannt: das vor dem Scheitern stehende Industriemodell, das nicht mehr finanzierbare Rentensystem, die fehlende Lösung der Energiefrage und allem voran die Finanzierung der durch ein aggressives Russland aufgezwungenen drastischen Erhöhung der Ausgaben für Verteidigung.

Mit der Zerstörung von Unterseekabeln, mit Desinformation und Cyberattacken sieht Russland sich bereits in einem Krieg mit uns. Ebenso wird das System Putin auch versuchen, die kommenden Wahlen zu beeinflussen, zugunsten Moskau gefälliger Politiker. Allein das würde schon dafür sprechen, Wahlen gerade jetzt ohne Not nicht durchzuführen. Die Parteien wagen es aber nicht, ihren Wählern reinen Wein einzuschenken zu den Opfern, die notwendig sind, um unsere Freiheit zu verteidigen. So lassen sie den deutschen Michel doch lieber in der Illusion, dass alles machbar und finanzierbar ist, ohne große Einschnitte im Sozialhaushalt. Einfach die Schuldenbremse lockern, dann wird es schon gehen. Die Menschen in der Ukraine setzen in größter Not ihr Leben ein für die Bewahrung ihrer Freiheit. In Berlin sprach man schon gleich nach dem russischen Überfall vor fast drei Jahren von der notwendigen Kapitulation in wenigen Tagen. Die Ukrainer sind diesen Weg zur Knechtschaft nicht gegangen. Sie folgen dem, was schon der Athener Perikles gesagt hat: Frieden und Freiheit sind ein sicherer Besitz nur für den, der den Mut hat, sich zu verteidigen.

Nicht nur die Ukraine, auch Israel hat in diesem Jahr den Mächten des Bösen bis zu Assad Grenzen gesetzt. Beiden Ländern können wir dankbar sein. Die Geschichte aber ist weder in der Ukraine noch im vorderen Orient zu einem Ende gekommen. Denn auch das gehört zu unserem Wissen über die Zeit: Das einzige Dauerhafte der menschlichen Existenz ist der ewige Wandel. Wir haben keine andere Chance, als uns ihm zu stellen. Das gilt auch für das Jahr 2025.

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