Gesünder essen, mehr Sport, mehr Zeit für Freunde und Familie: Gute Neujahrsvorsätze sind ein fester Bestandteil unserer Kultur. Leider gilt das auch für die Bereitschaft, sie bei erstbester Gelegenheit wieder aufzugeben. Forscher wollen herausgefunden haben, dass nur einer von zehn Vorsätzen das Jahr überlebt. Man kann das recht gut in den Fitnessstudios beobachten. Nie sind sie so voll wie im Januar, es wird gestrampelt und geschwitzt. Dann werden die Pausen länger und die Einheiten kürzer. Ohne Anstrengung und Durchhaltevermögen klappt‘s mit dem Neujahrszauber leider nicht.
Das gilt im Privaten, aber ebenso in der Politik: Vor Deutschland liegt ein Jahr der Mühen und der unbequemen Wahrheiten – aber auch der Chancen, wenn es gelingt, ein paar Schalter umzulegen. Leider ist in den Wahlprogrammen der Parteien von Aufbruch wenig zu finden. Größer als der Mut zu nötigen Veränderung ist die Angst, von den Wählern dafür bestraft zu werden. Unvergessen die Lektion, die die Deutschen 2005 der eigentlich als Reformerin angetretenen Angela Merkel erteilten. Am Ende gewann die hohe Favoritin die Wahl nur hauchdünn – und verzichtete fortan auf jedweden Versuch, dem Land und seinen Menschen Reformanstrengungen abzuverlangen. Die von vielen Bürgern lauthals von der Politik geforderte Veränderungsbereitschaft endet zu oft vor der eigenen Haustür. Ein Beispiel: Längst bräuchte Deutschland, um die Alterseinkünfte zu stabilisieren, eine „Rente auf Rädern“, bei der sich das Eintrittsalter mit der zum Glück steigenden Lebenserwartung immer weiter nach hinten verschiebt. Viele Rentnerinnen und Rentner fühlen sich fit und würden gern auch im Alter noch teilhaben an den vielfältigen sozialen Kontakten, die ihnen ein Teilzeitjob bietet. Doch hat Unions-Chef Merz seiner Partei ein lautes Nachdenken darüber im Wahlkampf verboten – zu unpopulär ist das Thema. Auch die telefonische Krankschreibung, die dazu geführt hat, dass die Fehlzeiten hierzulande weit über jenen der Nachbarn liegen, gehört dringend reformiert. Nein, liebe Gewerkschaften und liebe SPD: Das ist kein „Generalverdacht“ gegen die fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
In Deutschland tut sich heute eine tiefe Kluft auf zwischen Anspruch und Leistung. Andere sind besser geworden. Unser bequem gewordenes Land steckt, das lässt sich bei allem Optimismus auch zum Start ins neue Jahr nicht schönreden, in der Krise. Sie ängstigt viele. Aber die Krise kann, ganz in ihrem alten griechischen Wortsinn, auch der Moment der „Entscheidung“ und, wenn wir uns einen Ruck geben, die Wende zum Besseren sein. Dazu braucht‘s keine schlauen Wahl-Ratschläge von Elon Musk, wohl aber die Bereitschaft, seine Reform-Vorschläge ernsthaft zu prüfen. Die neue Regierung muss radikal viele unnötige Vorschriften kippen, die es Unternehmen schwermachen, Innovationen voranzubringen und auf den Weltmärkten wieder erfolgreicher zu werden. Der stürmische technologische Fortschritt bietet gewaltige Chancen. Und wenn 2025 zur Anstrengung ein bisschen Glück hinzukommt und in der Ukraine endlich wieder die Waffen schweigen, dann hat das neue Jahr sogar das Potenzial, uns nach Corona, Krieg und Krise endlich mal wieder angenehm zu überraschen.
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