Zwei Vergehen – und Schluss?

von Redaktion

In Hand- und Fußfesseln auf dem Weg zum Flughafen: Polizisten bringen einen Afghanen zur Abschiebung. Bis Juli wurden heuer 11 102 Menschen abgeschoben. © dpa (2); Quelle: Bundestag

München – Als am 30. August 2024 ein Charterjet von Leipzig in Richtung Kabul abhob, markierte das einen Wendepunkt in der deutschen Asylpolitik: Es war die erste Abschiebung nach Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban. An Bord der Maschine saßen 28 schwere Straftäter. Sie wurden unter anderem wegen schwerer Körperverletzung, Tötung und Anschlagsplänen verurteilt. Einer von ihnen hatte ein 14-jähriges Mädchen mehrere Stunden lang vergewaltigt. Es waren derart schlimme Delikte, dass sich niemand groß darum scherte, ob den Abgeschobenen in ihrer Heimat Gefahr drohen könnte.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte daraufhin „zeitnah“ weitere Abschiebeflüge an. Doch es blieb bei dem einen. Er war wohl eher symbolisch gemeint, als Signal an die Bevölkerung, dass man konsequenter mit Straftätern aus dem Ausland umgehen will. Die Union drängelt. „Es ist unerträglich, dass es Menschen gibt, die zigfach vorbestraft sind – dies aber keinerlei Auswirkungen darauf hat, ob sie das Land verlassen müssen oder nicht“, sagt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in der „Bild“. Er fordert, dass Asylsuchende in Zukunft automatisch abgeschoben werden, sobald sie vorsätzlich zwei Straftaten begangen haben. „Nach einem Warnschuss muss in Zukunft bei der zweiten vorsätzlichen Straftat das Aufenthaltsrecht zwingend erlöschen.“

CSU-Chef Markus Söder geht noch weiter. „Nicht nur die schweren Straftaten sollten zur Zurückführung führen, sondern auch einfache Straftaten“, sagt der bayerische Ministerpräsident. Neben Mord und Totschlag sollten also auch Einbruch und Diebstahl Abschiebegründe sein – sowie Beleidigung, Sachbeschädigung und Schwarzfahren.

Tatsächlich können auch jetzt schon einfache Straftaten zu Ausweisungen führen, etwa bei Wiederholungstätern oder wenn eine Gefahr für die öffentliche Ordnung besteht. Problematischer sind hingegen die Abschiebeziele: Denn die Union will grundsätzlich wieder nach Syrien und Afghanistan abschieben. In beiden Ländern besteht für Rückkehrer nach aktueller Rechtslage die Gefahr eines „ernsthaften Schadens“: Solange den Menschen in ihren Herkunftsländern Verfolgung, Folter oder unmenschliche Behandlung droht, dürfen sie dorthin im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht abgeschoben werden – selbst wenn sie Straftäter oder Terroristen sind.

Nach dem Sturz des Machthabers Baschar al-Assad fordern nun viele eine Neubewertung der Lage in Syrien. „Das Land ist nach wie vor sehr instabil, das wissen wir“, sagt CDU-Chef Friedrich Merz. „Aber wir sind in der Union ja schon seit längerer Zeit der Auffassung, dass man nach Afghanistan und nach Syrien grundsätzlich abschieben kann und sollte. Das würden wir machen.“

CDU-General Linnemann bringt auch zusätzliche Abschiebeabkommen ins Spiel, damit die Straftäter „wenn nötig auch in Drittstaaten“ ausgeflogen werden können. Aktuell regelt eigentlich die Dublin-Verordnung, dass das Land, das der Geflüchtete zuerst in Europa betreten hat, für den Abgeschobenen zuständig ist – doch das System scheitert andauernd, weil viele Staaten überhaupt nicht mitmachen. „Wenn das Asylsystem in der EU nicht mehr funktioniert, müssen wir das System ändern“, sagt Merz. „Es kann aber nicht sein, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union einfach nach Deutschland durchwinken und sagen: Sorry, das System funktioniert nicht mehr, geht nach Deutschland.“

Derzeit leben in Deutschland laut Bundesinnenministerium rund 975 000 Syrer. Mehr als 300 000 von ihnen haben einen subsidiären Schutztitel. Sie wurden also nicht wegen einer individuellen Verfolgung aufgenommen, sondern wegen des Bürgerkriegs in ihrer Heimat. Laut einem Bericht des Bundeskriminalamts haben im Jahr 2023 genau 34 341 tatverdächtige (nicht verurteilte) Syrer in Deutschland gelebt. Aus Afghanistan leben derzeit rund 420 000 Menschen in Deutschland. 2023 wurden 20 027 tatverdächtige Afghanen erfasst. In beiden Gruppen haben vor allem Delikte gegen die persönliche Freiheit (etwa Körperverletzung oder Bedrohung) und Diebstahlsdelikte eine Rolle gespielt.

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