Der Hirnforscher Martin Korte und die Journalistin Gaby Miketta haben ein bemerkenswertes Buch vorgelegt. Unter dem Titel: „Gute Idee! In sieben Schritten kreativ denken lernen“ zeigen sie auf, dass Kreativität etwas ist, das wir keineswegs nur bei Künstlern, Malern oder Musikern als angeborene Begabung zu verstehen haben. Kreativität betrifft jeden von uns in seinem Alltag. Jeder von uns kann im Beruf wie im Privatleben gegebene Situationen neu denken. Die Autoren zeigen mit praktischen Übungen: Kreatives Denken lässt sich lernen, und zwar in jedem Alter. Dazu gibt es Alltagstraining für jedes Gehirn und überhaupt beeindruckende Kreativitätstechniken. Und dazu ist es bei den meisten Menschen so, dass „eine fröhliche, entspannte Stimmung die assoziative Kraft des Gehirns erhöht. Wenn wir gut gelaunt sind, werden neuronale Netze (im Gehirn) offener für Neues.“
Kreativität ist in jeder Lebensphase unterschiedlich ausgeprägt. Wo Genie und Talent in der Jugend im Vordergrund stehen, sind es im Alter Weisheit, Erfahrung und Wissen. „Kreativität und Alter sollten wir deshalb nicht als Gegensätze denken.“
Interessant wäre es dabei, der Frage näher nachzugehen, wie Kreativität durch gelerntes Wissen gefördert wird. Auswendig lernen – ob Vokabeln, Geschichtsdaten oder auch Rechtschreibung – kann man bekanntlich am besten in jungen Jahren und weniger im Alter.
Als ich zur Schule ging, gab es zum Lernen und Behalten noch die berühmten „Eselsbrücken“, einfache Reime oder akronyme Buchstaben-Folgen. „Wer nämlich mit ‚h‘ schreibt, ist dämlich“ – ist ein einfaches Beispiel dafür. Dass solche und andere Eselsbrücken längst aus dem Unterricht verschwunden sind, hat mit der Erkenntnis der Pädagogik zu tun, dass „nur“ auswendiglernen nicht ausreicht. Bildung sollte sich auf richtig Verstandenes verlagern. Was verstanden wurde, hat man auch schon gelernt. Das ist besser, als wenn man nur etwas herunterspult wie ein Papagei . „Nämlich“ zum Beispiel kommt von dem Wort „Name“, das ebenfalls ohne h geschrieben wird. Wer sich das klar macht, der behält es ganz ohne eine Eselsbrücken-Hilfe.
In den Schulen aber haben unsere Pädagogen mit den Eselsbrücken zugleich die ganze Lernschule weitgehend abgeschafft. Das heißt dann doch, das Kind mit dem Bade ausschütten. In der Nach-68er-Zeit brauchte man kaum eine Geschichtszahl mehr zu lernen, hatte dafür aber historische Texte zu interpretieren, deren Hintergrund die Schüler gar nicht kannten. Wie das Pendel in der Pädagogik immer gerne nach links wie nach rechts ausschlägt, so scheint es heute an den Schulen zum Glück eine Rückbesinnung auf die Notwendigkeit von gelerntem Wissen zu geben. Das Buch von Martin Korte und Gaby Miketta passt daher gerade heute perfekt auch in die Hand aller Pädagogen. Kreativität fällt nicht vom Himmel. Sie muss gelernt werden, und dazu gehört auch solides Grundwissen. Gute Schulen liefern das Rüstzeug, um kreativ denken zu können.
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