Das Scheitern der Demokraten

von Redaktion

Koalitionschaos in Österreich

Österreich bekommt heuer voraussichtlich seine Kanzler Nr. neun und zehn innerhalb von gut acht Jahren. Das ist für mitteleuropäische Verhältnisse erschreckend und einer stolzen Republik nicht würdig. Der größte Teil dieser Instabilität ist selbstverschuldet durch falsche Personalauswahl der drei größten Parteien. Der Rest Europas sollte draus lernen.

Kleiner Überblick: Die SPÖ hat sich mit der Wahl von Andreas Babler („Ich bin Marxist“) zum Parteichef nach Links bewegt, weg aus der Mitte. Die FPÖ, nicht voll vergleichbar mit der deutschen AfD, hat mit Herbert Kickl einen Ultrarechten zum Alleinführer erhoben. Der Preis dafür ist die Koalitionsfähigkeit mit allen Seriösen. Die konservative Volkspartei ÖVP, für die viel Raum wäre, kaut noch am Debakel um Sebastian Kurz. Der junge Charismatiker stieg steil und fiel tief, weil ihm Rechtschaffenheit fehlte; gestürzt über eine Korruptionsaffäre, im Visier der Justiz wegen gefälschter Umfragen, verurteilt wegen Falschaussage. So langweilig all seine ÖVP-Nachfolger auch sind: Kurz ist, bis das ausgeräumt oder gesühnt ist, kein Comeback-Kandidat – sondern ein Lehrbuchfall für Politik und Medien, wie verheerend Filz, Kungelei und fehlende Moral für eine Demokratie sind.

Österreich ist in Wahrheit nicht unregierbar. Doch die dünne Qualität des Personals hat nicht gereicht für die Aufgabe, Kompromisse und eine Koalition zu schmieden für eine Regierung ohne rechtsextremen Kanzler. Die Folgen des Scheiterns sind klar: Über ein Drittel der Österreicher sieht in der FPÖ nun das kleinere Übel. Die Freiheitlichen, und zwar nicht die Moderateren in der Partei, werden spätestens nach Neuwahlen künftig regieren, die ÖVP kann allenfalls als Juniorpartner mitwatscheln. Für Schadensbegrenzung – etwa die Person Kickl zu verhindern oder ihn wenigstens auf einen strikt proeuropäischen Kurs festzulegen – kann die ÖVP kaum noch Druck aufbauen. In Wien beweist sich: Wenn die Demokraten gemeinsam lang genug versagen, helfen sie politischen Rändern an die Macht.
CHRISTIAN.DEUTSCHLAENDER@OVB.NET

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