Die Luegbrücke auf der Brenner-Route, nun Großbaustelle, im Sommer. © Marcus Schlaf
München/Wien – Es sah aus wie der Beginn einer, nun ja, politischen Freundschaft. Der Bundeskanzler lud Markus Söder nach Wien ein, ließ ihn mit Blaulicht durch die Stadt chauffieren, empfing ihn zum Gespräch, tauschte Handynummern aus. Beide ließen sich vor den Kameras sogar zu einer angedeuteten Umarmung hinreißen, trotz damaliger Corona-Regeln. Anfang 2022 war das. Das freundliche Kennenlernen von Karl Nehammer und Söder nährte die Hoffnung, das schwierige Verhältnis der Nachbarn könnte sich entkrampfen. Nun ist das nüchterne Fazit: Wird wohl nichts.
Nehammer ist (fast) Geschichte, Söder nutzte die Handynummer nur noch mal für einen Kondolenzanruf am Wochenende, als der ÖVP-Chef seinen Rücktritt verkündete. Alles sieht danach aus, dass bald die FPÖ das Kanzleramt in Wien übernimmt mit ihrem als besonders radikal geltenden Chef Herbert Kickl. „Die Entwicklung ist natürlich nicht gut“, sagt Söder am Rande der CSU-Klausur in Seeon.
Das dürfte eine sanfte Untertreibung sein. Für die Regenten in Bayern ist der Machtwechsel in Wien doppelt unangenehm. Erstens in der Sache: Zwischen den Nachbarn toben mehrere ungelöste Konflikte, die meisten drehen sich um den Alpen-Transit. Seit Jahren bremst das aktuell ÖVP/SPÖ-regierte Bundesland Tirol als Leidtragender der endlosen Blechlawine den Lkw-Verkehr mit Blockabfertigung aus. Allein Anfang Dezember sorgte das für 27 Kilometer stinkenden Brummi-Rückstau in Bayern bis auf die A8. Es laufen zudem Durchfahrts- und Abfahrtsbeschränkungen in kleineren Orten beiderseits der Grenze gegen den Ausweichverkehr und Experimente mit Dosierampeln. Besserung: keine.
Der Kompromissvorschlag, den Bayern, Tirol und Südtirol mittragen würden, ist ein Slot-System, in dem Lkw ihre Transitfahrten anmelden. Dafür braucht es aber einen Vertrag mit den nationalen Regierungen. Zur FPÖ hat in der Münchner wie in der Berliner CSU, so weit zu hören ist, niemand einen direkten Draht. Erwartet wird von der FPÖ auch eher ein abschottender, eskalierender Kurs. Tirols FPÖ sprach schon 2024 von einem „Angriff der italienischen und internationalen Frächterlobby auf die Gesundheit und die Lebensqualität der Tiroler Bevölkerung“. Notfalls „müssen wir uns gegen alle geltenden EU-Gesetze selbstverteidigen, mit allen erdenklichen Mitteln“.
Das klingt nicht nach Einigung, und die laufende italienische Klage gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof dürfte den FPÖ-Kurs gegen Brüssel eher bestärken. Erste Signale deuten zudem darauf hin, dass die FPÖ wie bei ihren letzten Regierungsbeteiligungen gerne aufs Verkehrsministerium zugreifen möchte. Es ist erwartbar, dass bald auch schwere Vorwürfe an die Deutschen folgen, den Zulauf zum Brenner-Basis-Tunnel auf bayerischer Seite über Jahr(zehnt)e vertrödelt zu haben.
„Noch schwieriger geht kaum“, sagt die Rosenheimer CSU-Abgeordnete Daniela Ludwig bitter über die Transit-Gespräche mit den Nachbarn. Sie ordnet allerdings ein: Schon bisher, also auch unter Nehammer und Vorgänger Sebastian Kurz, habe sich die Bundesregierung in Wien „einen schlanken Fuß“ gemacht. Ludwig setzt nun alle Hoffnungen auf die Klage.
Zweitens ist der Umsturz in Österreich für CSU wie CDU auch politisch unangenehm. Die ÖVP aus der gemeinsamen bürgerlich-konservativen Parteienfamilie steht vor turbulenten Monaten. Womöglich brechen jene in der Partei nun weg, die nie mit der FPÖ koalieren wollten – die Volkspartei schrumpft. Zu beobachten war so was in mehreren Ländern, darunter Italien, wo die Mitte-Rechts-Partei Forza Italia implodiert. Gleichzeitig steigt auf die Union schleichend der Druck, die Brandmauer zur deutschen AfD aufzugeben, was Söder und CDU-Chef Friedrich Merz kategorisch ausschließen. Deutsche AfD-Politiker sind von der neuen Polit-Lage in Wien jedenfalls euphorisiert.