KOMMENTARE

Sinnvolle kleine Hürde

von Redaktion

Debatte um Karenztag: Pro und Contra

Deutschland hat ein Problem. Der Krankenkasse DAK zufolge fielen 2023 im Durchschnitt (!) 20 Fehltage pro Kopf an. Noch höher ist die Krankenquote übrigens in der Bundesverwaltung. Dort lag sie 2022 im einfachen Dienst bei fast 35 Tagen. Und der Trend zeigt weiter nach oben. Allein zwischen Januar und August kamen der AOK zufolge auf 100 Versicherte rund 225 krankheitsbedingte Arbeitsausfälle – so viele wie 2023 noch im gesamten Jahr.

Auch wenn der rapide Anstieg teilweise einem statistischen Effekt geschuldet sein mag, ist angesichts der hohen Zahlen schon die Frage erlaubt, ob es hierzulande nicht ein bisschen zu einfach ist, der Arbeit fernzubleiben. Telefonische Krankschreibung und Lohnfortzahlung ab dem ersten Tag machen es jedenfalls nicht besonders schwierig. Deshalb hat Allianz-Chef Oliver Bäte nun vorgeschlagen, den Karenztag wieder einzuführen. Heißt: Für den ersten Krankheitstag gibt es keinen Lohn. Typische Idee eines Arbeitgebers, der Geld sparen will? Sicher auch. Einen Punkt hat er damit im Kern trotzdem.

Nicht falsch verstehen: Wer krank ist, darf und soll zu Hause bleiben. Ein einziger unbezahlter Tag wird ihn dann weder davon abhalten noch finanziell nachhaltig schädigen. Denn weiterhin gilt ja das viel wichtigere Versprechen: Wenn nach sechs Wochen der Arbeitgeber nicht mehr zahlt, gibt es Krankengeld von der Kasse. Wer länger erkrankt, den fängt also die Solidargemeinschaft auf. Wer hingegen immer wieder ausfällt, obwohl er es nicht müsste, dessen Arbeit müssen Kollegen erledigen – oder sie bleibt liegen. Und nicht nur die ohnehin schwächelnde Wirtschaft leidet, auch im Gesundheitswesen fallen für alle Kosten an, wenn Arbeitnehmer Arztpraxen unnötigerweise für ihre Krankschreibungen in Anspruch nehmen – und sei es nur am Telefon.

Eine kleine Nachdenk-Hürde, ob es heute wirklich nicht geht, ist da zumutbar – und im Europa-Vergleich nicht einmal besonders hart. In Spanien etwa müssen Arbeitnehmer sogar drei Krankheitstage lang auf Lohn verzichten. In Schweden gibt es zwei Wochen lang nur 80 Prozent des Gehalts.
SEBASTIAN.HORSCH@OVB.NET

Artikel 9 von 11