Spüren Sie es auch, das eisige Lüftchen? Zu Jahresbeginn sinnieren hiesige Wirtschaftsexperten darüber, wie sich die allseits spürbare Krise auf dem Rücken der Arbeitnehmer ein wenig lindern ließe. Die Wirtschaftsweise Schnitzer meint, mit frisch gebrochenem Bein lasse es sich prima aus dem Homeoffice arbeiten. Allianz-Chef Bäte fordert, den Lohn am ersten Krankheitstag zu streichen, der Ökonom Raffelhüschen hält sogar drei unbezahlte Tage für angemessen. Na, wer mag noch ein bisschen an Arbeitnehmerrechten nagen?
Bäte und Co. glauben, ihr Vorschlag aus der Mottenkiste würde Arbeitnehmer disziplinieren. Darin steckt nicht nur die anmaßende (und von OECD-Zahlen nicht gedeckte) Behauptung, Deutsche würden verstärkt zum Blaumachen neigen. Selbst wenn der Befund stimmte, ließe sich daraus auch ein ganz anderes Szenario ableiten: Wer es sich als ausgemachter Faulpelz leisten kann, lässt sich bei Einführung eines Karenztags dann eben nicht nur einen Tag, sondern womöglich gleich eine Woche krankschreiben, und versteht das vielleicht noch als faires Geschäft.
Gelackmeiert sind dann die vielen, die ans Blaumachen nicht denken, bei Krankheit aber auf einen Tag Lohn verzichten müssen. Für nicht wenige Menschen, die jeden Cent umdrehen müssen, wäre das Grund genug, sich hustend und schniefend in die Arbeit zu schleppen – und dort Kollegen anzustecken. Ob die Rechnung im Sinne der Arbeitgeber aufgeht, darf man getrost bezweifeln. Eine Werbung für den Standort Deutschland, der doch so dringend nach Fachkräften sucht, ist das im Übrigen auch nicht.
Vorschläge wie diese sind getragen vom verzerrten Bild einer Arbeitnehmerschaft, die es sich auf ihren überbordenden Rechten bequem macht und von halber Arbeit bei doppeltem Gehalt träumt. Das mag für manche zutreffen. Viele sehen aber einer anderen Realität ins Auge: In der wird ein anständiges Arbeitsethos mit stets wachsenden Anforderungen im Job und teils obszön steigenden Kosten (denken Sie an Großstadtmieten) „belohnt“. Das macht auf Dauer unzufrieden – und bisweilen sogar krank.
MARCUS.MAECKLER@OVB.NET