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Söders harter Taurus-Schwenk

von Redaktion

CSU-Chef rückt von Lieferung ab

Unpopuläres zu tun verlangt einem Volksliebling wie Markus Söder, der die öffentliche Meinung stets aufmerksam im Blick behält, schier übermenschliche Anstrengung ab. Deshalb sollte die neue Volte des CSU-Chefs niemanden überraschen. Von einer Lieferung des Marschflugkörpers „Taurus“ an die Ukraine will Söder plötzlich nichts mehr wissen. Vor ein paar Monaten klang das noch ganz anders. Da hatte er dem SPD-Kanzler wegen dessen Taurus-Veto noch „Bockbeinigkeit“ vorgeworfen und richtigerweise hinzugefügt, dass die Stärkung der Ukraine nicht nur moralisch geboten, sondern auch im deutschen Interesse sei.

Vor der Bundestagswahl gilt das offenbar nicht mehr, ebenso wenig wie etwa das Bekenntnis der CDU zu einer Rentenreform. CDU und CSU halten die Bundestagswahl bereits für entschieden – und wollen vor dem 23. Februar alle Themen abräumen, die in der Bevölkerung auf Widerstand stoßen könnten. So hat schon Angela Merkel ihre Wahlen gewonnen. Dem Land aber hat es nicht gutgetan, dass die Union sich den Wählern nicht mehr als Alternative empfahl, sondern nur noch als Variante der Politik von SPD und Grünen. So kam es zu fatalen falschen Weichenstellungen wie dem Atomausstieg, dem Migrationschaos, der Frührente (mit der geforderten Ausweitung der Mütterrente setzt die CSU jetzt sogar noch ein weiteres Milliarden-Sozialprojekt drauf), einer überzogenen Klimapolitik, die den Niedergang Deutschlands als Industriestandort einleitete, und der Anbiederung an Putins Russland – alles mit dem Segen der deutschen Konservativen.

Söders Vorstoß für eine Neujustierung der Ukrainepolitik folgt den Wahltriumphen Putin-freundlicher Kräfte in Österreich, der Slowakei und Ostdeutschland. In Moskau nimmt man das freudig zur Kenntnis. Doch wird es einen hohen Preis haben, wenn nun auch die stärkste politische Kraft Deutschlands von dem Ziel abrückt, die Ukraine vor den Verhandlungen mit Russland in eine bessere Lage zu versetzen: Ein Diktatfrieden zu Putins Bedingungen wäre für den Kriegsherrn im Kreml erst recht die Aufforderung zum Tanz. Kein Land der Welt würde jemals den Fehler der Ukraine wiederholen, auf Zusagen des Westens zu vertrauen. Und Millionen weiterer ukrainischer Flüchtlinge würden nach Deutschland strömen. Der künftige Kanzler Friedrich Merz muss das seinem Männerfreund Söder dringend sagen – vorausgesetzt, sein Wort gilt noch. Es gehört zur Führungsverantwortung, für das Richtige einzustehen, auch wenn es unbequem ist. Oder, um es mit Franz Josef Strauß zu sagen: Man muss den Leuten aufs Maul schauen, ohne ihnen nach dem Mund zu reden.

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