Melonis kurzer Draht zu Trump

von Redaktion

Natürliche Freunde: Donald Trump und Giorgia Meloni präsentieren sich ihren Wählern als Gegner der politischen Elite. Trump bezeichnet die Italienerin als „fantastische Frau“. © AFP

Rom/München – Giorgia Meloni grinst in ihre Handykamera. Die Parteichefin der rechtsextremen Fratelli d’Italia steht auf einer Bühne auf dem Mailänder Domplatz und macht ein Selfie mit ihren Fans. Aus den Lautsprechern dröhnt fröhliche Musik, ihre Partei–freunde klatschen im Takt. Es ist Wahlkampf im Jahr 2022. So gelöst die Stimmung auch ist, Melonis Botschaft klingt bedrohlich. „Es heißt, in Europa sei man ein bisschen besorgt wegen der Meloni. Was wohl mit der geschehen werde?“, ruft sie in die Menge. „Was passieren wird: Der Spaß ist vorbei!“ Zwei Wochen später wird sie zur ersten Ministerpräsidentin Italiens gewählt.

Meloni, Post-Faschistin, Nationalistin, einstige Mussolini-Anhängerin – und heute womöglich die mächtigste Frau Europas. Ihr rauer Ton auf der Wahlkampfbühne hatte damals viele Beobachter im EU-Ausland beunruhigt, immerhin schimpfte sie regelmäßig gegen die „Bürokraten aus Brüssel“ und pflegte eine enge Freundschaft zum ungarischen Putin-Freund Viktor Orbán. Doch inzwischen ist die 47-Jährige die Politikerin der Stunde: Sie kommt nicht nur bestens mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen aus (die beiden traten einst in Tunesien gar als „Team Europa“ auf), sondern versteht sich auch mit Donald Trump und Elon Musk blendend.

Zum künftigen US-Präsidenten hat sie sogar einen derart kurzen Draht, dass sie kürzlich in einer Nacht- und Nebelaktion zu Trumps Anwesen in Florida aufgebrochen ist, um die italienische Journalistin Cecilia Sala mit seiner Hilfe aus iranischer Haft zu befreien – mit Erfolg. Meloni pflegt schon länger beste Beziehungen zu Trump. Er hat sie persönlich zu seiner Amtseinführung am 20. Januar nach Washington eingeladen und geschwärmt, sie sei eine „fantastische Frau“.

Der EU könnte dieser direkte Zugang nutzen. Während Deutschland und Frankreich mit Regierungskrisen zu kämpfen haben, kann Italien als drittgrößte Volkswirtschaft punkten. Nach sechs Regierungswechseln in nur zehn Jahren scheint unter Meloni innenpolitische Stabilität eingekehrt zu sein. Viele Beobachter glauben, Meloni könnte die Rolle einer transatlantischen Vermittlerin übernehmen – diesen Eindruck hat sie auch gestern bei ihrer Neujahrspressekonferenz verstärkt. Angesprochen auf die Strafzölle, die die USA unter Trump gegen die EU verhängen könnten, bezeichnete Meloni diese Option als „nicht die richtige Lösung“. Beim Thema der Beendigung des Krieges in der Ukraine stellte sich Meloni weiterhin klar an die Seite der Ukraine und sympathisierte nicht etwa, wie andere Rechtspopulistin, mit Wladimir Putin.

Interessant war auch Melonis Interpretation des Trumpschen Neokolonialismus. Dessen Interesse für Grönland und Panama interpretierte die Italienerin nicht als verkappte Kriegserklärung, sondern als Botschaft an den „wachsenden Geltungsdrang Chinas“ in jenen Regionen. Es ist wohl genau diese Art des diplomatischen Geschicks, die ihr gerade so viel Einfluss verleiht.

Melonis Asyl-Politik zahlt sich auch in Deutschland aus

Innenpolitisch hat Meloni trotz Reibungen in ihrer Koalition mit Forza Italia und der Lega weiter viel Rückhalt. Das liegt insbesondere an der von ihrer Regierung eingedämmten Zuwanderung. Seit Amtsbeginn hat Meloni nicht nur die Regeln für private Seenotrettung verschärft, sondern auch bilaterale Abkommen mit den Maghrebstaaten Tunesien und Libyen geschlossen. Ihre Migrationspolitik scheint sich auszuzahlen: Nach Angaben aus Rom ist die Zahl der Bootsflüchtlinge, die 2024 über das Mittelmeer nach Italien kamen, um 60 Prozent von 157 651 (2023) auf 66 617 gesunken.

Dass inzwischen immer weniger Migranten Italien erreichen, macht sich auch in anderen EU-Ländern wie Deutschland bemerkbar: Denn auch hierzulande ist die Zahl der Asylanträge im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen. 2024 seien 229 751 Erstanträge eingegangen, der Großteil von Menschen aus Syrien, Afghanistan und der Türkei, teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gestern mit. Das sind fast 100 000 Menschen weniger als noch im Jahr 2023 – ein Rückgang um 30,2 Prozent.

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