Klammheimliche Klimawende

von Redaktion

Es war einmal: 2019 umarmte Markus Söder im Münchner Hofgarten noch demonstrativ Bäume. © Kneffel/dpa

München – Markus Söder ist ein Meister der Inszenierung, doch manchmal kann das im Nachhinein zum Eigentor werden: 2019, als Fridays for Future und das Thema Klimawandel noch in aller Munde waren, wollte sich der bayerische Ministerpräsident an die Spitze der Bewegung stellen – und umarmte demonstrativ einen Baum im Münchner Hofgarten. Zwei Jahre später wollte Söder dann zeigen, dass Bayern den Klimaschutz wirklich ernster nimmt als alle anderen: Statt wie die Bundesregierung 2045 klimaneutral werden zu wollen, sollte Bayern dieses Ziel schon fünf Jahre eher erreichen.

Seit 2023 ist das Ziel, wonach Bayern schon ab 2040 klimaneutral sein soll, nun gesetzlich verankert – auch wenn damals schon Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) dies nur murrend akzeptierte.

Jetzt, da das Thema in der öffentlichen Wahrnehmung weit zurückgefallen ist, legt die bayerische Staatsregierung eine Wende hin – klammheimlich: Denn nach BR-Informationen hat das Kabinett schon im November intern die Abkehr vom bayerischen Klimaziel beschlossen.

In dem Kabinettsbeschluss werde auf die wirtschaftlichen Herausforderungen und das Festhalten des Bundes am Atomkraft-Ausstieg verwiesen, so der BR. Deswegen werde das Zieljahr für die Klimaneutralität Bayerns angepasst und analog zur Bundesebene auf das Jahr 2045 festgelegt.

Formal muss die Abkehr vom Klimaziel aber erst vom Landtag beschlossen werden. Deshalb sorgte es für großen Unmut, dass Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger schon jetzt am Rande der Freie-Wähler-Klausur erklärte, dass das Klimagesetz im Zuge der Haushaltsberatungen im Herbst „kassiert“ worden sei.

Brisant: Noch im Oktober hatte die Staatsregierung das Ziel 2040 im Rahmen der Bayerischen Klimaallianz mit dem Bund Naturschutz (BN) bekräftigt. „Nur weil Wirtschaftsminister Aiwanger auf der Klausur der Freien Wähler eine Äußerung gemacht hat, kommt das Ganze jetzt ans Tageslicht. Ich frage mich, wie lange Ministerpräsident Markus Söder und sein Stellvertreter der Öffentlichkeit diese gewichtige Entscheidung noch verheimlicht hätten?“, so der BN-Landesbeauftragte Martin Geilhufe.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sprach von einem „absoluten Skandal“: „Die bayerische Staatsregierung hält sich nicht an ihre eigenen Gesetze und verheimlicht es auch noch vor der Bevölkerung“, sagte Schulze unserer Zeitung. „Es kann nicht sein, dass es eine gefühlte Geheimgesetzgebung in der Staatskanzlei gibt, mit Geheimbeschlüssen, die am Gesetzgeber, dem Bayerischen Landtag, vorbeigehen.“

Aiwangers Parteifreund, Umweltminister Thorsten Glauber, ließ auf Anfrage erklären, das Klimaziel 2040 bleibe geltendes Recht: „Eine mögliche Änderung der Bayerischen Klimaziele bedarf einer Entscheidung des Bayerischen Landtags. Einen Gesetzesentwurf des Bayerischen Umweltministeriums dazu gibt es nicht.“ Allerdings schränkte der Sprecher des Umweltministeriums ein, Söder habe kommuniziert, „dass die Erreichung der bayerischen Klimaziele an Bedingungen auf Bundesebene geknüpft sei. Eine Angleichung der bayerischen Klimaziele an die Ziele des Bundes ist perspektivisch möglich.“

SPD-Energieexperte Florian von Brunn wies die Begründung Söders, die Verschiebung des Klimaziels sei wegen des Atomausstiegs nötig, zurück: Damit wolle die Staatsregierung nur vom „Versagen“ beim Ausbau von Windkraft, Stromleitungen und klimafreundlichem Verkehr ablenken.

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