Scholz-Show in Berlin: der Kanzler neben den Parteifreunden Matthias Miersch, Rolf Mützenich und Lars Klingbeil. © Kay Nietfeld/dpa
Berlin – Sechs Wochen vor der Wahl hat Kanzler Olaf Scholz die SPD auf eine Aufholjagd in der heißen Phase des Wahlkampfs eingeschworen. „Es geht um verdammt viel“, sagte er auf einem Sonderparteitag in Berlin. „Wir streiten dafür, die Erfolgsmarke Made in Germany zu bewahren und zu erneuern – für die ganz normalen Leute in unserem Land. Also, kämpfen wir.“ Die 600 Delegierten feierten ihn stehend mit sechseinhalb Minuten Applaus. Anschließend wurde Scholz bei einer Abstimmung mit Handzeichen als Kanzlerkandidat bestätigt – es gab nur einzelne Gegenstimmen.
Die Sozialdemokraten wollen bei der Wahl am 23. Februar wieder stärkste Partei werden, haben derzeit in den Umfragen aber einen Rückstand von 13 bis 20 Prozentpunkten auf die führende Union und liegen auch stabil hinter der AfD. Im ZDF-Politbarometer wurden die Sozialdemokraten am Freitag zum ersten Mal seit einem Jahr auch von den Grünen überholt und landeten nur noch auf Platz vier. Scholz gab sich trotzdem zuversichtlich, dass die Trendwende noch gelingen kann. „Winterwahlkämpfe können ein gutes Ende haben“, sagte er. In Hamburg habe er sich zweimal im Februar zur Wahl gestellt und gewonnen. Er wolle wieder überraschen, die vorher schon meinten zu wissen, wie es ausgeht. „Wir werden gewinnen.“
In seiner 51-minütigen Rede griff Scholz Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) an. „Jetzt ist nicht die Zeit für Sprücheklopfer. Jetzt ist nicht die Zeit für die uralten Rezepte. Jetzt ist nicht die Zeit für Politik auf dem Rücken der ganz normalen Leute“, rief er den Delegierten zu. „Oder knapp: Jetzt ist nicht die Zeit für CDU und CSU in Deutschland.“
Die Rückschau auf seine drei Jahre als Ampel-Kanzler kam in der Rede nur kurz vor. Der Kanzler räumte ein, dass er die Regierung mit Grünen und FDP vielleicht früher hätte beenden müssen. „Vielleicht hätte ich früher auf den Tisch hauen müssen, nicht nur hinter den Kulissen, sondern öffentlich.“ Auf harsche Kritik an dem früheren Koalitionspartner FDP oder an den Grünen verzichtete der Kanzler diesmal weitgehend und arbeitete sich vor allem an der Union ab. Der Ukraine sicherte Scholz weitere Unterstützung zu und versicherte, dass er eine Verwicklung der Nato in den Krieg verhindern werde.
Scholz war Ende November vom Parteivorstand erst nach zäher und kontroverser Debatte als Kanzlerkandidat nominiert worden. Zuvor hatte die Partei zwei Wochen lang öffentlich diskutiert, ob nicht der deutlich beliebtere Verteidigungsminister Boris Pistorius als Ersatzkandidat eingewechselt werden soll. Auf dem Parteitag wurde die Entscheidung für Scholz nun per Handzeichen bestätigt. Auf eine geheime Abstimmung wie bei vielen früheren Entscheidungen für Kanzlerkandidaten verzichtete die Parteiführung. Auf offener Bühne gab es keine Kritik. „Ich kämpfe für eine sichere Zukunft unseres Landes, ich kämpfe auch für dich, Olaf“, sagte Pistorius.
Mit Peer Steinbrück meldete sich aber ein ehemaliger Kanzlerkandidat von der Seitenlinie zu Wort und bezweifelte, dass die Aufholjagd noch möglich ist. „Die Wahrscheinlichkeit weist darauf hin, dass die SPD mit Scholz an der Spitze erkennbar nicht die stärkste Partei wird“, sagte der frühere Finanzminister dem Nachrichtenportal t-online.
Spitzensteuersatz ab 93 000 Euro
Inhaltlich stellte sich die SPD mit einem Programm auf, das den Titel „Mehr für Dich. Besser für Deutschland“ für die Wahl am 23. Februar trägt. Darin verspricht die Partei unter anderem, 95 Prozent der Steuerzahler zu entlasten, mit einem „Made in Germany“-Steuerbonus Investitionen zu fördern und den Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben. Kurzfristig eingearbeitet wurde das Versprechen, dass Studierende und Azubis möglichst nicht mehr als 400 Euro für ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft zahlen müssen.
Die Steuerpläne der SPD wurden auf dem Parteitag konkretisiert: Die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz soll auf 93 000 Euro angehoben werden, der Steuersatz selbst dafür aber auch – von 42 auf 45 Prozent. Der Reichensteuersatz soll von 45 auf 47 Prozent steigen. Auch der Grundfreibetrag soll bei der Einkommensteuer angehoben werden, um Geringverdiener zu entlasten.