Alice Weidel auf der Parteitagsbühne, umringt von Sicherheitsleuten. © Jens Schlueter/AFP
Riesa – Die AfD hat ihre Chefin Alice Weidel offiziell zu ihrer Kanzlerkandidatin bestimmt. Einstimmig und unter donnerndem Applaus wählte ein Parteitag die 45-Jährige im sächsischen Riesa zur Frontfrau im Wahlkampf. Weidel sagte vor den rund 600 Delegierten, es brauche die AfD, um Deutschland „wieder stark, reich und sicher“ zu machen. Man müsse die Grenzen lückenlos schließen und die Botschaft senden: „Die deutschen Grenzen sind dicht.“
Eine Auszählung der Stimmen gab es nicht. Weidel wurde per Akklamation gekürt – die Delegierten erhoben sich von ihren Plätzen als Zeichen für Zustimmung. Begleitet von einer Lichtshow, Musik und Jubel betrat Weidel die Bühne, zeichnete ein düsteres Bild von der Lage und zählte die Positionen der AfD auf. „Wir werden Nord Stream wieder in Betrieb nehmen“, rief sie etwa. Sie warf der Union („Betrügerpartei“) vor, vom AfD-Wahlprogramm abzuschreiben. Sie machte zudem deutlich, dass sie mit dem Begriff „Remigration“ kein Problem hat. Tosenden Beifall gab es für ihren Ausruf: „Wenn wir am Ruder sind, wir reißen alle Windkraftwerke nieder. Nieder mit diesen Windmühlen der Schande.“ Später versuchte sie einzuschränken, dies habe sich auf den Reinhardswald in Hessen bezogen.
Der US-Milliardär Elon Musk verlinkte auf seiner Plattform X auf den Livestream des Parteitags und verhalf der AfD damit international zu hoher Reichweite. Die Beiträge des Tesla-Chefs verfolgen mehr als 210 Millionen Menschen weltweit.
Der Parteitag begann mit mehr als zwei Stunden Verspätung. Wegen zahlreicher Blockaden von Zufahrtswegen durch Gegendemonstranten verzögerte sich die Anreise vieler der rund 600 Delegierten. Die Polizei sprach von 10 000 Demonstranten. Auch Weidels Auto wurde nach ihren Angaben aufgehalten. Die Organisatoren der AfD-kritischen Kundgebungen warfen der Polizei übermäßige Härte vor. Der sächsische Linkenabgeordnete Nam Duy Nguyen wurde nach eigenen Angaben von einem Polizisten mit einem Faustschlag ins Gesicht niedergeschlagen, er will Strafanzeige stellen. Die Polizeidirektion Dresden sprach von sechs leicht verletzten Polizisten. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) kündigte eine Aufarbeitung an.
Inhaltlich geht es bei dem zweitägigen Parteitag um das Wahlprogramm. Die Delegierten entschieden, den Satz aufzunehmen: „Die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern, ist die Keimzelle der Gesellschaft“. Im Entwurf stand zunächst nur: „Die Familie ist die Keimzelle unserer Gesellschaft.“ Die Thüringer AfD-Politikerin Wiebke Muhsal sagte: „Kinder kommen nicht irgendwo her, sondern Familie ist da, wo ein Mann und eine Frau gemeinsam Kinder bekommen.“ Mit Blick auf Weidel, die mit einer Frau zusammenlebt und zwei Kinder großzieht, sagte der Hamburger Delegierte Krzysztof Walczak, die Formulierung eines Leitbildes impliziere nicht, dass man andere Lebens- und Familienmodelle ablehne.
Im Familienkapitel spricht sich die AfD dafür aus, die Rechtslage beizubehalten, wonach Schwangerschaftsabbrüche zwar rechtswidrig, in den ersten zwölf Wochen aber straffrei sind, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Während der Schwangerschaftskonfliktberatung sollen Frauen Ultraschallaufnahmen des Kindes gezeigt werden, „damit diese sich über den Entwicklungsstand des Kindes im Klaren sind“.
Die Partei legt zudem Wert darauf, das Kaiserreich und Preußen in positivem Licht darzustellen. Ein entsprechender Passus wurde auf Antrag einiger Delegierter mit großer Mehrheit ins Wahlprogramm eingefügt. Auch die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht wurde aufgenommen. Die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland wird abgelehnt, ebenso wie Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Beim Parteitag scheiterte der Antrag auf eine Änderung, die Russland klar für den Angriff auf die Ukraine kritisiert hätte. Teile des Programms sind ein Ausstieg aus dem Euro und dem Pariser Klimaabkommen sowie der Umstieg in einen neuen europäischen Staatenbund.