Bayern: SPD will ab durch die Mitte

von Redaktion

Ein bisschen Frieden: Holger Grießhammer hat die Landtags-SPD beruhigt. © Picture Alliance

München – Handwerker mit höckerlosen Kamelen sind auch in der bayerischen Politik bisher eine Seltenheit. Das gilt besonders dann, wenn sie – die Handwerker – dort auch noch etwas zu sagen haben. So wie Holger Grießhammer, Maler- und Lackiermeister aus dem oberfränkischen Fichtelgebirge, der gemeinsam mit seiner Frau einen Betrieb mit heute 14 Beschäftigten aufgebaut hat. Nebenbei bietet die Familie Alpaka-Wanderungen an, sowie Produkte aus deren Wolle. „Wundervoll fluffig, wärmend und kühlend“, urteilen Kunden im Internet.

Etwas weniger fluffig ging es zuletzt in Grießhammers zweitem Lebensmittelpunkt zu – der Bayern-SPD. Deren Landtagsfraktion führt er seit einem halben Jahr an, und die Lage ist – gelinde gesagt – nicht rosig. Denn das bescheidene Wahlergebnis von 2023 hat nicht nur diejenigen hart getroffen, die es deshalb gar nicht erst in den Landtag geschafft haben. Auch die 17 Abgeordneten, die drin sind, müssen nun mit weniger Leuten und weniger Geld auskommen als früher. Die aktuellen Umfragen lassen zudem nicht unmittelbar erwarten, dass der Trend sich dreht. Bei 9 Prozent steht die SPD im Bayerntrend zur Bundestagswahl. Das entspricht ungefähr dem Ergebnis der Landtagswahl. Vergleicht man es mit der Bundestagswahl 2021, hätte man sich sogar halbiert.

Von all dem ausgehend, sei die Stimmung „erstaunlich o.k.“, heißt es aus dem Kreis der Abgeordneten. Das liegt auch am neuen Chef. Grießhammer ist fleißig, macht Termine, spricht mit Medien. Gleichzeitig arbeitet er nach innen, hat die personell gebeutelte Geschäftsstelle stabilisiert, lässt Abgeordneten Freiraum für deren eigene Themen. Und der 42-Jährige, der 2023 erstmals in den Landtag eingezogen ist, nimmt Rat an, fragt sogar selbst danach. „Passt schon“, fasst jemand mit Erfahrung die Bilanz seit Sommer zusammen. Dass Grießhammers Bekanntheitswerte ausbaubar sind, wird noch verziehen. Einen Heilsbringer habe man nicht erwartet.

Um zu verstehen, dass solch verhaltene Zuversicht schon ein Lob ist, muss man sehen, wo die Fraktion herkommt. Vor Grießhammer wurde so viel gestritten, dass der Fraktionsvorstand kaum noch handlungsunfähig war. Über Jahre rieben sich die Genossen regelrecht auf. Unvergessen, als zwei Kandidaten bei der Vorsitz-Wahl einander so wenig trauten, dass sie gemeinsam auf die Toilette gingen, um den Kontrahenten nicht allein im Raum zu lassen. Bis es im Juli 2023 zum Knall kam. Die Fraktion entzog ihrem damaligen Chef Florian von Brunn den Rückhalt. Schnell war klar: Grießhammer soll es machen.

Seither herrscht tatsächlich weitgehend Ruhe. Alle seien „sehr konstruktiv“, heißt es aus der Fraktion. Selbst diejenigen, für die der Bruch im Sommer auch persönlich eine Niederlage war, ließen das die anderen zumindest nicht spüren. Grießhammer selbst beschreibt das Verhältnis zu seinem Vorgänger von Brunn als „kollegial“. Bei der Vorbereitung der heute und morgen anstehenden Klausur habe man gut zusammengearbeitet, sagt er unserer Zeitung. Wirtschaftliche Transformation samt Besuch im BMW-Werk, Krankenhausversorgung, bezahlbare Pflege – das sind die Themen.

Inhaltlich hat Grießhammer die Landtags-SPD in die Mitte gerückt. Soziale Gerechtigkeit soll ein Kernanliegen bleiben, aber statt der in der Vergangenheit oft sehr akademisch geprägten Herangehensweise, hat er den Fokus hin zur arbeitenden Mittelschicht – auch der auf dem Land – verschoben. Beim kritischeren Blick auf Migration und Bürgergeld war er der Bundes-SPD sogar einen Schritt voraus. Mit der CSU würde er koalieren und sagt das auch.

Grießhammer selbst gibt sich „sehr zufrieden“ mit seinen ersten sechs Monaten. Er habe für seinen Kurs in der als besonders links geltenden Bayern-SPD viele positive Reaktionen erhalten. Grießhammer glaubt, das liegt auch daran, dass der Eindruck täusche, und es vor allem die Parteitage sind, die das linke Bild prägen. „Weil viele Pragmatiker an der Basis – Bürgermeister, Kommunalpolitiker – dort nicht hingehen.“ Noch etwas, das er ändern will.

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