Dekorierter Gast: Boris Pistorius erhielt vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj den Verdienstorden Erster Klasse der Ukraine. © Michael Kappeler/dpa
Kiew – Verteidigungsminister Boris Pistorius hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Unterstützung Deutschlands auch über die Bundestagswahl am 23. Februar hinaus zugesichert. Unabhängig von der Regierungskonstellation werde diese Unterstützung standfest, verlässlich und entschlossen bleiben, sagte der SPD-Politiker bei einem Besuch in Kiew. Er sei „noch optimistisch, dass wir eine Lösung finden“.
Pistorius äußerte die Erwartung, dass es in den laufenden Verhandlungen in Deutschland über weitere Hilfen in Höhe von drei Milliarden Euro eine Lösung geben werde. Er verwies darauf, dass es für 2025 nach dem Bruch der Ampel-Koalition aber keinen Haushalt gebe. Am Abend präzisierte er in Interviews bei ARD und ZDF, er hoffe „in den nächsten Tagen“ auf eine Entscheidung.
Auch Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck hält zusätzliche Milliardenhilfen für die Ukraine für notwendig. Das sagte Habeck vor einer Sitzung des erweiterten Grünen-Fraktionsvorstands in Berlin. Kanzler Olaf Scholz (SPD) ist Berichten zufolge dagegen. Pistorius widersprach dieser Darstellung jedoch: „Ich sehe keinerlei Grund anzunehmen, dass der Bundeskanzler hier bremst.“
Noch während Pistorius in der Ukraine weilte, reagierte in Deutschland BSW-Chefin Sahra Wagenknecht mit schroffer Kritik. Pistorius gehöre einer Regierung an, die keine Mehrheit im Rücken habe, er solle sich „bei Auslandsreisen zurückhalten und keine neuen Waffenlieferungen versprechen“. Das sei respektlos gegenüber den Wählern. Sie nannte es „eine Unverschämtheit, dass Union, Grüne, Teile der SPD und die FDP wenige Tage vor der Bundestagswahl Tatsachen schaffen wollen“.
Selenskyj dankte Deutschland einmal mehr für die geleistete Militärhilfe. Deutschland allein habe der Ukraine etwa 16 Prozent der gesamten Hilfe gegeben, die sein Land erhalten habe. „16 Prozent – das sind sehr ernst zu nehmende Zahlen“, sagte er und nannte insbesondere die Lieferung von Luftverteidigungssystemen.
Für einen erfolgreichen Abwehrkampf ist die Ukraine nach Einschätzung von Pistorius darauf angewiesen, dass Europa und die neue US-Regierung unter Donald Trump weiter eng zusammenarbeiten. Dann habe das Land eine reelle Chance, mit Unterstützung des Westens auf Augenhöhe „zu vernünftigen Verhandlungen irgendwann im Laufe des Jahres zu kommen“, sagte der SPD-Politiker. Zum Kriegsverlauf und den ukrainischen Streitkräften sagte er: „Sie kämpfen enorm mutig. Und die Materiallieferungen reißen Gott sei Dank auch nicht ab.“
Deutschland hatte am Vortag in Warschau mit vier europäischen Nato-Partnern („Fünfer-Gruppe“) vereinbart, zusammen Rüstungskooperationen mit der Ukraine auszubauen. Vor dem Amtsantritt Trumps in den USA herrscht Unklarheit, wie es mit der westlichen Unterstützung für die Ukraine weitergeht. Trump hatte wiederholt ein Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Beendigung des Krieges in Aussicht gestellt, ohne aber dass die europäischen Verbündeten genau über seine Vorschläge im Bild sind – jedenfalls soweit öffentlich bekannt. In der Ukraine gibt es die Befürchtung, dass Trump die US-Hilfe drastisch zurückfahren könnte.
Er wolle „eine Woche vor der Übernahme der Amtsgeschäfte durch den amerikanischen Präsidenten Trump noch mal das deutliche Signal setzen, dass wir in Europa, dass die Nato-Partner an der Seite der Ukraine stehen, gerade auch jetzt in der besonders angespannten Situation“, sagte Pistorius. Die Gefahr einer Niederlage der Ukraine sei „nicht wesentlich größer als vor einem Jahr“. Der Unterschied sei, dass Putin gerade versuche, „auch vor dem 20. Januar in der möglichen Erwartung von ihm aufgezwungenen Waffenstillstandsverhandlungen möglichst viel Boden gutzumachen“.