Sie schöpfen endlich Hoffnung: Israelis fordern ihre Regierung seit Langem dazu auf, ein Abkommen zur Freilassung der verbliebenen Geiseln zu schließen. © Jack Guez/AFP
Doha – Die Neuigkeit war noch taufrisch, da stürmten in Gaza schon die ersten Menschen auf die Straßen. Tausende versammelten sich, um zu feiern, wie Augenzeugen berichteten. Die Menschen tanzten, umarmten einander und fotografierten sich, um den besonderen Moment festzuhalten.
Der Grund: Nach 15-monatigen Kämpfen haben sich Israel und die Hamas auf eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge geeinigt, wie Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani in Doha mitteilte. Sie soll am Sonntag um 12.15 Uhr Ortszeit in Kraft treten und vorerst 42 Tage dauern. Es ist die erste Vereinbarung seit einer Feuerpause vor gut einem Jahr. Damit kann auch die Zivilbevölkerung des zerstörten Küstenstreifens auf eine Linderung ihrer Not hoffen. „Wir rufen heute zur Ruhe auf bis zur Umsetzung“, sagte Al Thani.
Das vorläufige Ende der Gefechte wurde nach Einschätzung von Beobachtern auch durch die Rückschläge für Irans „Achse des Widerstands“ im Libanon und Syrien und Drohungen des designierten US-Präsidenten Donald Trump möglich, der eine Einigung zur Freilassung der Geiseln vehement eingefordert hatte. Der scheidende US-Präsident Joe Biden betonte hingegen, dass die Einigung auch auf „beharrliche und akribische amerikanische Diplomatie“ zurückzuführen sei. Der Deal gehe auf einen Plan zurück, den er bereits im Mai vorgestellt hatte.
Die Waffenruhe soll zunächst für sechs Wochen gelten, sagte Al Thani. In dieser Zeit sollen 33 der Geiseln aus der Gewalt der Hamas freigelassen werden, die ersten drei womöglich schon am Sonntag. Im Gegenzug sollen palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikommen. Al Thani nannte hier zunächst aber keine Zahl. Insgesamt werden im Gazastreifen noch 98 Verschleppte festgehalten, von denen mindestens 34 tot sein dürften. Parallel zu dem Austausch von Geiseln gegen Häftlinge soll die israelische Armee mit dem Abzug aus dem Gazastreifen beginnen.
Laut Al Thani sind drei Phasen vorgesehen, die jetzige Vereinbarung betrifft nur die erste. In Phase zwei, über die ab dem 16. Tag nach Inkrafttreten der Waffenruhe verhandelt werden soll, dürfte es um die Freilassung der restlichen Geiseln sowie den weiteren Rückzug der israelischen Armee gehen. Die sollte sich Berichten zufolge nach und nach aus bewohnten Gebieten des Gazastreifens zurückziehen, zunächst aber nicht vom sogenannten Philadelphi-Korridor entlang der Grenze zu Ägypten. Israel befürchtet, dass die Hamas dort wieder Waffen in den Gazastreifen schmuggeln könnte. Die in den Süden des Küstenstreifens geflohenen Einwohner sollen in ihre Wohngebiete im Norden zurückkehren dürfen.
Während in Gaza Freude herrschte, nahmen die Angehörigen der Geiseln die Nachricht mit gemischten Gefühlen auf. „Für mich ist es erst vorbei, wenn es vorbei ist“, sagte Jimmy Miller, Cousin der Geisel Schiri Bibas, in Tel Aviv. Der Platz war am Abend ungewöhnlich leer, niemand schien in Feierstimmung.
Trump reagierte bereits vor der offiziellen Verkündung erleichtert. „Wir haben eine Einigung für die Geiseln im Nahen Osten“, schrieb er auf seinem Online-Dienst Truth Social. „Sie werden in Kürze freigelassen. Danke.“ Er sprach von einem „epischen Abkommen“.
Das Abkommen braucht noch die Zustimmung des israelischen Sicherheitskabinetts und der Regierung, die Abstimmungen sind für heute Vormittag angesetzt. Israels Präsident Izchak Herzog forderte beide zur Zustimmung auf. „Wir befinden uns in einem äußerst entscheidenden Moment“, sagte er. Die Waffenruhe sei „der richtige Schritt“. Die Hamas feierte die Einigung unterdessen als Errungenschaft der Palästinenser.
AFP/DPA