Der originale TikTok-Account von Robert Habeck – immer wieder sind aber auch gefälschte Inhalte im Umlauf. © IMAGO
München – Es waren erschütternde Vorwürfe. Anfang Dezember kursierte im Netz ein Video, in dem eine junge Frau behauptete, vor acht Jahren an einem Malwettbewerb in Schleswig-Holstein teilgenommen zu haben. Angeblich sei sie damals zehn Jahre alt gewesen, und Robert Habeck, damals Umweltminister, habe sie als Gewinnerin persönlich geehrt. Dann unterstellt sie dem Grünen-Politiker, sie sexuell missbraucht zu haben. Die Geschichte verbreitet sich rasch in den Sozialen Netzwerken – dabei ist sie frei erfunden.
Es ist unschwer zu erkennen, dass etwas an dem Video nicht stimmt: Mimik und Gestik der Frau wirken unnatürlich, ihre Aussprache klingt roboterhaft. Es handelt sich um ein Deepfake – also ein täuschend echt wirkendes Video, das mit Künstlicher Intelligenz generiert wurde. Das Gesicht der Frau gehört offenbar zu einer russischen Eiskunstläuferin. Und die angebliche Nachrichtenseite, auf der das Video zuerst aufgetaucht ist, wurde erst wenige Tage zuvor erstellt.
Das Bundesinnenministerium stuft das Video als gezielten Angriff ein. Demnach seien zuletzt mehrere Falschmeldungen zu Grünen-Spitzenpolitikern in Umlauf gekommen. Über Habeck kursierte zum Beispiel auch ein gefälschter Tweet, in dem der Wirtschaftsminister deutsche Rentner als „arbeitslose Hühner“ bezeichnet, „die ständig herumschreien und mit ihren Verschwörungstheorien den ganzen Laden durcheinanderbringen“. Neben Habeck sei auch Außenministerin Annalena Baerbock im Fokus von Desinformationskampagnen, teilt das Innenministerium mit. Gesichert könne man zwar nicht sagen, woher die Falschmeldungen kommen – allerdings hat man einen klaren Verdacht: Bei der Beeinflussung von Wahlen durch fremde Staaten sei Russland derzeit „der auffälligste Akteur“, sagt eine Sprecherin gegenüber unserer Zeitung.
Der Verfassungsschutz hat bereits im November vor russischer Einflussnahme im Bundestagswahlkampf gewarnt. Ziel des Kremls sei, die deutsche Gesellschaft zu verunsichern, zu spalten und so „die Bereitschaft für die Unterstützung der Ukraine zu mindern“. Die Grünen, die sich seit Beginn des Krieges klar für umfassende Waffenlieferungen an die Ukraine positioniert haben, sind somit das natürliche Ziel von Putins Propaganda.
Die Sicherheitsbehörden rechnen in den kommenden Wochen aber nicht nur mit Desinformationen, sondern auch mit Cyberangriffen, Spionage und Sabotage. Möglich seien etwa sogenannte Hack-and-Leak-Angriffe: Dabei erbeuten Hacker nicht-öffentliche Dokumente (etwa von Behörden) und veröffentlichen sie dann – teils verfälscht – in den Sozialen Medien. Im US-Wahlkampf 2016 leakte der russische Geheimdienst tausende vertrauliche E-Mails von Hillary Clintons Chefberater, die die Demokratin in ein schlechtes Licht rückten. Insbesondere Russland verfüge „über eine Vielzahl von Instrumenten und den Willen, Wahlen zu ihren Gunsten zu beeinflussen“, so die Sprecherin des Innenministeriums.
Wie skrupellos der Kreml in europäische Wahlkämpfe eingreift, hat sich im vergangenen Jahr einige Male gezeigt: etwa bei der Europawahl, als Politiker aus mehreren EU-Ländern von dem Propaganda-Netzwerk „Voice of Europe“ Geld bekommen haben sollen, um prorussische Propaganda zu verbreiten – im Verdacht steht unter anderem der AfD-Politiker Petr Bystron. Auch bei den Wahlen in den zwei Ex-Sowjetrepubliken Moldau und Georgien soll der Kreml seine Finger im Spiel gehabt haben. In Rumänien wurde sogar die Präsidentenwahl annulliert, weil Kreml-Einmischung im Raum stand. Das wichtigste Ziel russischer Desinformation soll aber immer noch Deutschland sein, wie US-Behörden behaupten: In einem 277 Seiten langen FBI-Bericht vom September 2024 wurde aus einem Treffen russischer Propagandisten zitiert, bei dem man beschlossen habe, Fake-News-Kampagnen besonders auf Deutschland zu konzentrieren. Dafür sollte auch die AfD „mit allen Mitteln“ unterstützt werden.