Verlor seine Direktkandidatur nach den Vorwürfen: Der Berliner Abgeordnete Stefan Gelbhaar © dpa
Aus der Partei ausgetreten: Shirin Kreße, Grünen-Bezirkspolitikerin in Berlin, steht im Rampenlicht. © dts
Berlin – Anfangs war es nur ein grünes Bezirksskandälchen um einen Abgeordneten, von dem außerhalb der Hauptstadt kaum einer gehört hatte. Inzwischen aber wächst sich der Fall Gelbhaar zu einer bundesweiten Angelegenheit aus. Auch Kanzlerkandidat Robert Habeck muss sich nun damit befassen. „Die Vorgänge im Berliner Landesverband sind gravierend und auch schockierend“, sagte der Wirtschaftsminister gestern in Berlin. „Es muss unbedingt schnell und rücksichtslos aufgeklärt werden, was da eigentlich passiert ist, und auch die Konsequenzen gezogen werden.“
Der Fall ist kompliziert, verworren und auch juristisch heikel. Die Kurzfassung: Der Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar hatte seine Kandidatur auf ein Direktmandat verloren, weil er sich mit Belästigungsvorwürfen konfrontiert sah. Bei den Grünen ein besonders heikler Vorwurf. Inzwischen aber hat der öffentlich-rechtliche RBB, der die Vorwürfe aufgedeckt hatte, seine Berichterstattung zurückgezogen. Offenbar gibt es das vermeintliche Hauptopfer, das eine eidesstattliche Erklärung abgegeben hatte, gar nicht. Die Hinweise verdichten sich, dass eine andere Grünen-Politikerin dahintersteckte.
Die Vorwürfe richten sich gegen die Berliner Grünen-Bezirkspolitikerin Shirin Kreße, die Gelbhaar mutmaßlich unter falschem Namen und mit der gefälschten eidesstattlichen Erklärung belastet hatte. Sie hat die Grünen inzwischen verlassen. Das angekündigte Parteiausschlussverfahren habe sich daher erledigt, sagte der Bundesvorsitzende Felix Banaszak. Der Parteivorstand habe sich aber zusätzlich zu der Strafanzeige entschieden. Diese richte sich sowohl gegen die Beschuldigte als auch gegen unbekannt. Man sei „auch persönlich betroffen und erschüttert“, erklärten die beiden Vorsitzenden.
Kreße, die sich in ihrem Instagram-Profil als „autistisch, links, chronisch wütend“ beschreibt, erklärte, sie habe nicht nur alle Parteiämter niedergelegt, sondern auch ihren Job in einem Grünen-Abgeordnetenbüro gekündigt. Sie wolle „möglichen Schaden von der Partei, aber auch Betroffenen sexualisierter Gewalt abwenden“. Zu weiteren Details machte sie keine Angaben.
„Stefan Gelbhaar ist durch die Falschaussagen zu seinen Lasten und die Berichterstattung darüber beim RBB Schaden zugefügt worden“, sagte Banaszak. „Das bedauern wir ausdrücklich.“ Er sagte aber auch, dass auf Nachfrage sieben Frauen, die ebenfalls bei der Ombudsstelle der Grünen Meldungen gegen Gelbhaar eingereicht hatten, auf Nachfrage hin mitgeteilt hätten, sie würden an ihren Vorwürfen festhalten. Gelbhaar selbst hatte die Anschuldigungen gegen ihn stets bestritten und als „frei erfunden“ bezeichnet.
MM