Fall Gelbhaar: Ex-Abgeordneter verlässt Grüne

von Redaktion

Özcan Mutlu rechnet mit Berliner Landesverband ab – Habeck: Problem trifft ganz Deutschland

Karriereknick: Stefan Gelbhaar weist die Anschuldigungen gegen ihn von Beginn an zurück. © dpa

„Jetzt ist genug“: Özcan Mutlu vertrat die Grünen von 2013 bis 2017 im Bundestag – Mitglied war er seit 1990. © dpa

Berlin – Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu ist aus der Partei ausgetreten. Hintergrund sind die Diskussionen um eine parteiinterne Intrige und Belästigungsvorwürfe gegen den Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar. Die Partei sei nicht mehr die politische Heimat, für die er einst gekämpft habe, erklärte Mutlu in einem offenen Brief an die Bundeschefs Felix Banaszak und Franziska Brantner sowie an den Berliner Landesvorstand. „Intrigen, Machtspiele und eine eklatante Fehlerkultur haben Bündnis 90/Die Grünen zu einer Organisation gemacht, die meine Überzeugungen und Werte nicht länger repräsentiert“, schrieb Mutlu, der 14 Jahre Abgeordneter im Berliner Landesparlament und von 2013 bis 2017 im Bundestag war.

Gegen Gelbhaar stehen seit Mitte Dezember Belästigungsvorwürfe im Raum. Der RBB berichtete nach eigenen Angaben auf Grundlage von eidesstattlichen Versicherungen von Frauen. Am Freitag zog der Sender Teile seiner Berichterstattung zurück und berichtete über Zweifel an der Identität einer Person, die solche Vorwürfe erhoben hatte. Gelbhaar hatte die Anschuldigungen stets zurückgewiesen. Bei der Aufstellung der Landesliste verzichtete er Mitte Dezember mit Hinweis auf die Vorwürfe auf eine Kandidatur. Bei einer erneuten vom Grünen-Kreisverband angesetzten Abstimmung über die Direktkandidatur in seinem Wahlkreis landete er nur auf Platz zwei.

„Die aktuellen Vorfälle sind kein isolierter Einzelfall, sondern Ausdruck eines tief verwurzelten strukturellen Problems im grünen Landesverband Berlin“, kritisierte Mutlu in dem Brief. „Stefan Gelbhaar wurde aufgrund einer haltlosen und offensichtlich falschen Anschuldigung sexueller Belästigung nicht nur öffentlich diffamiert, sondern politisch vernichtet.“ Das Muster sei immer gleich: „Es wird mit Unterstellungen gearbeitet, die jeglicher Grundlage entbehren, deren Zerstörungskraft jedoch unwiderruflich bleibt.“

Nach Einschätzung von Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck hat die mögliche Intrige mehrfach Schaden angerichtet. Wer immer das getan habe, habe schwere Schuld auf sich geladen gegenüber den zu Unrecht Beschuldigten – also möglicherweise gegenüber Gelbhaar, was aber noch aufzuklären sei, so Habeck. Es sei aber auch ein Problem, weil vor allem Frauen einen Raum bräuchten, in dem sie Belästigungen ansprechen könnten. Dieser gesellschaftliche Fortschritt werde „quasi kaputt gemacht“. „Das ist alles sehr, sehr ernst zu nehmen und ein Vorgang, der jetzt mehr mit Deutschland machen wird wahrscheinlich als mit dem Wahlkampf der Grünen.“

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