USA machen die Grenzen dicht

von Redaktion

Tränen der Verzweiflung: Maria Mercado, die eigentlich aus Kolumbien stammt, am Grenzübergang in Tijuana, Mexiko. © Gregory Bull/dpa

Washington – Maria Mercado ließ vor wartenden Kamerateams ihren Tränen freien Lauf. Seit Juni hatten sie und ihre Familie, aus Ecuador kommend, in einem mexikanischen Auffanglager nahe der US-Grenze zu San Diego gewartet. Sie hatte schon vor Wochen über eine von Ex-Präsident Joe Biden gestartete Handy-App einen Termin für ein Asylantrag-Interview gemacht. Der Termin am Grenzübergang war am Montag – anberaumt, vier Stunden nach der offiziellen Vereidigung von Donald Trump. Doch kaum hatte der neue Präsident sein Amt angetreten, schaltete die Heimatschutzbehörde die beliebte App ab. Zehntausende von Terminen, die an acht US-Grenzstationen bis in den Februar reichten, waren damit für wartende Migranten automatisch annulliert. „Wir wissen nicht, was wir jetzt machen sollen“, sagte Mercado.

Der aus Kolumbien stammenden Familie, die aufgrund der Gewaltaktionen von Drogenkartellen zunächst nach Ecuador und dann nach Mexiko geflohen war, bleibt jetzt vermutlich nur ein illegaler Grenzübertritt. Doch unter Trump weht ein neuer Wind: Aufgegriffene Migranten müssen mit schneller Deportation rechnen, und erstmals soll jetzt das Militär bei der Grenzsicherung helfen. Amerika schottet sich massiv ab, und Trump beginnt seine Wahlkampfversprechen zu erfüllen – mit oft dramatischen Folgen. Die jetzt gelöschte App war bei Millionen Menschen populär, die einen legalen Weg in die USA suchten. Jeden Tag wurden maximal 1450 Migranten bei Terminwünschen berücksichtigt, durchschnittlich bewarben sich täglich 280000 für ein Interview. Verlief dies erfolgreich, konnten sie bis zur Abwicklung des Antrags – was oftmals Jahre dauert – in den USA bleiben, ohne eine Abschiebung befürchten zu müssen.

Doch dieser Weg ist jetzt versperrt. Die Unterbringungslager in Mexiko für wartende Migranten dürften sich in den kommenden Wochen bis zum Überlaufen füllen. In den Lagern kursieren Gerüchte, dass Trump Asylanträge ganz abschaffen will, was die Verzweiflung noch steigert. Unklar ist, wie viele Migranten nach der App-Abschaltung überhaupt noch an den Übergangsstellen vorgelassen werden, um eine Einreise zu beantragen. Gleichzeitig sehen sich in den wichtigsten US-Metropolen dort illegal lebende Migranten und ihre Helfer seit Dienstag mit dem Start von Razzien konfrontiert. Trump widerrief zudem eine von Biden erlassene Verfügung, dass es keine Festnahmen von Migranten in Kirchen, Schulen und Hospitälern geben dürfe. Am ersten Tag der Rasterfahndungen seien bereits hunderte Migranten verhaftet worden, hieß es in Washington.

Die Polizeiführung von Chicago erklärte, man werde ICE nicht bei der Festnahme von illegalen Migranten helfen. Doch die Grenzpolizei hat ohnehin alle Vollmachten für Verhaftungen. Einwanderungsaktivisten geben unterdessen Tipps wie diese: Niemals die Tür öffnen, wenn es klingelt. Und wer dennoch aufgespürt werde, solle immer freundlich bleiben und einen Anwalt verlangen. Für jene Migranten, die nun zittern müssen, bedeutet der Amtsantritt Trumps aber auch dieses: Freunden eine Vollmacht für die Betreuung von Kindern ausstellen, falls die Eltern abgeschoben werden. Einen Versorgungsplatz für Haustiere organisieren. Und Überwachungskameras über der Haustür installieren. Trump hat ankündigen lassen, dass sich die Migrations- und Zollbehörde ICE zunächst ausschließlich auf illegale Personen konzentrieren werde, die Verbrechen begangen haben.

Doch dabei dürfte es nicht bleiben. Vieles deutet darauf hin, dass Trump die Zahl der Migranten stark begrenzen will. So strich er am ersten Arbeitstag das in der Verfassung verankerte Recht, dass in den USA geborene Kinder von illegalen Migranten automatisch US-Staatsbürger sind und nicht abgeschoben werden können. Gegen diese Trump-Aktion klagen jetzt mindestens 18 Bundesstaaten, die einen Verfassungsverstoß sehen. Trump ließ am Dienstag auch die Webseite des Weißen Hauses in spanischer Sprache löschen – ein Indiz dafür, auf wen er seine Politik konzentrieren will.

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