Enge Verbündete: Lukaschenko mit Wladimir Putin (li.). © dpa
München – Es scheint wie eine ferne Erinnerung: Als sich im Sommer 2020 Alexander Lukaschenko wieder zu Belarus‘ Präsidenten küren ließ, hielt Corona die Welt im Griff. Russland hatte noch lange nicht die vollständige Invasion in die Ukraine begonnen – und in Minsk protestierten Hunderttausende gegen die manipulierte Wahl Lukaschenkos.
Die Welt ist mittlerweile eine andere. Auch in Belarus. Die Proteste 2020 wurden nach Monaten brutal niedergeschlagen. Wenn am Sonntag erneut „Präsidentschaftswahlen“ in Belarus anstehen, wird es trotz des längst ausgemachten Sieges Lukaschenkos keinen großen Widerstand mehr geben – da ist sich Olga Dryndova sicher. „Das bedeutet nicht, dass die prodemokratische Stimmung verschwunden ist. Sondern, dass es einfach nicht mehr sicher ist, irgendeine Art von Aktivität zu zeigen“, sagt die Expertin der Forschungsstelle Osteuropa der Uni Bremen und gebürtige Belarusin unserer Zeitung. Wie es im Inneren von Belarus weitergehe, werde auch vom Außen abhängen. Nicht zuletzt mit dem Ukraine-Krieg und seinen Auswirkungen auf den großen Nachbarn Russland.
Auf „null“ beziffert Dryndova indes die Chance auf erneute große Proteste in Belarus. Der Widerstand von 2020 habe Lukaschenkos Regime – nach einer vorangegangenen, rund fünf Jahre währenden Liberalisierungsphase – einen „Schock“ versetzt. Niemand habe damals mit einer solchen „Antwort“ auf die manipulierten Wahlen gerechnet, sagt die Expertin. Bei den Wahlen 2025 wolle das Regime nun Kontrolle demonstrieren. Das Mittel dazu ist Repression. „Die Menschen haben Angst, zu protestieren. Oder sie sind schon verhaftet. Oder sie mussten das Land verlassen.“
Zwar habe Lukaschenko zuletzt in mehreren Wellen politische Gefangene begnadigt. Die aber befänden sich samt ihrer Familien weiter unter Beobachtung der Sicherheitsdienste. „Und natürlich ist man nach mehreren Jahren Haft ein anderer Mensch“, fügt Dryndova hinzu. Belarusische Gefängnisse – insbesondere die Bedingungen für politische Gefangene – stünden immer noch „in den schlechtesten Traditionen der Sowjetunion und des KGB“.
Unter den vier offiziellen Gegenkandidaten Lukaschenkos findet sich ohnehin keine ernsthafte Alternative. Am ehesten in die Kategorie könnte noch Hanna Kanapazkaja fallen. Doch die frühere gemäßigte Oppositionsabgeordnete ist längst auf Lukaschenko-Kurs eingeschwenkt.
Das bekannteste Gesicht der Exil-Opposition ist Swetlana Tichanowskaja, prominente Lukaschenko-Widersacher wie Maria Kolesnikowa und Viktor Babariko sind inhaftiert. Es gebe zwar Kontakte der „aktiven Gesellschaft“ inner- und außerhalb Belarus‘, sagt Dryndova. Allerdings sei es für die Opposition schwer, breitere Bevölkerungsschichten zu erreichen: Nicht-staatliche Medien sind gesperrt.
FLORIAN NAUMANN