Bundespräsident und Bundeskanzler vor dem Tor des ehemaligen deutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau mit dem zynischen Schriftzug „Arbeit macht frei“. © Jutrczenka/dpa
Oswiecim – 80 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die bleibende Verantwortung Deutschlands für den Holocaust betont und sich gegen jede Relativierung gewandt. Was in Auschwitz-Birkenau und anderen deutschen Konzentrationslagern unter der Nazi-Herrschaft passiert sei, „das ist Teil unserer Geschichte und damit auch Teil unserer Identität, mit der wir uns auseinandersetzen müssen“, sagte er bei einem Besuch des ehemaligen Lagers, in dem zwischen 1940 und 1945 mehr als eine Million Menschen ermordet wurden – vor allem Juden.
Damit reagierte er auch auf eine Äußerung des US-Milliardärs Elon Musk, der am Wochenende in einer Video-Botschaft für eine AfD-Wahlkampfveranstaltung bemängelt hatte, dass Deutschland „zu viel Fokus auf vergangene Schuld“ lege. Auf eine Nachfrage dazu sagte er in Auschwitz: „Ich glaube nicht, dass Herr Musk auf meine Ratschläge wartet. Aber meine Überzeugung bleibt: Verantwortung kennt keinen Schlussstrich.“ Wer immer glaube, man könne jetzt einen Strich darunter machen, dem empfehle er, „jetzt hierherzukommen und das Gespräch mit Überlebenden zu suchen“. Auf die Lehren aus Auschwitz für die aktuelle Asyldebatte angesprochen verwies Steinmeier auf das Grundgesetz, das eine Antwort auf die Nazi-Herrschaft sei. „Und diese Antwort ist eine, die sich verkörpert in Artikel eins des Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist.“
Im Mittelpunkt des Gedenkens standen die Überlebenden, die 80 Jahre nach der Befreiung immer weniger werden. Etwa 50 nahmen die Reise nach Auschwitz auf sich, der 91-jährige Pavel Taussig wurde von Steinmeier in seinem Flieger mitgenommen. Nach Auschwitz kehre er nur „zähneknirschend“ zurück, sagte er. „Aber ich halte es für meine Pflicht.“ Es erschrecke ihn und stimme ihn traurig, dass heute das Wissen über den Holocaust unter jungen Leuten abnimmt. Nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage der Jewish Claims Conference haben zwölf Prozent der 18- bis 29-Jährigen in Deutschland noch nie etwas von Holocaust oder Schoah gehört. Taussig zeigte sich auch beunruhigt über den Aufstieg Rechtsradikaler.
Neben Polens Staatschef Andrzej Duda, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem kanadischen Noch-Regierungschef Justin Trudeau nahmen auch der britische König Charles III. und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an der Gedenkfeier teil. Der russische Präsident Wladimir Putin war unerwünscht. Nicht hochrangig waren die USA und Israel in Auschwitz vertreten.